Wien - Bundeskammer der Tierärzte, Arbeiterkammer, Oppositionsparteien - alle übten am Dienstag scharfe Kritik an den in Österreich praktizierten Lebensmittelkontrollen. Die Pannen bei der Diagnose des BSE-Falles offenbarten "Versäumnisse aus der Vergangenheit", die auch mit der geplanten Ernährungsagentur nicht zu beheben seien. "Das sind alte Behauptungen, die jetzt wieder aus der Lade geholt werden", konterte indes das Landwirtschaftsministerium.Die Bundeskammer der Tierärzte verwies darauf, dass es "den von der Regierung seit einem Jahr versprochenen Tiergesundheitsdienst nach wie vor nicht gibt". BSE sei zwar vorerst keine Gefahr für die Konsumenten in Österreich. Die Pannen bei der Aufklärung der Herkunft des Rindes zeigten jedoch deutlich, "dass Lebensmittel vielleicht doch nicht so sicher sind wie uns Agrarfunktionäre und Behörden immer wieder versichern". Wenn schon der erste BSE-Fall nicht eindeutig rückverfolgbar gewesen ist, so sei zu befürchten, "dass dies auch bei Auftreten anderer Seuchen der Fall sein könnte". Laut Franz Josef Jäger von der Tierärztekammer werden besonders durch das neue Tierarzneikontrollgesetz (siehe auch nebenstehenden Artikel) "Veterinäre aus dem Stall gedrängt", "britische Zustände" drohten. Für eine funktionsfähige Ernährungsagentur indes sei eine "externe, objektive Kontrolle" unbedingt notwendig - will heißen: Die Kontrollore dürften weder weisungsgebundene Beamte noch in ökonomischer Reichweite der Agrarlobby sein. Bock zum Gärtner Ähnlich argumentierte die Arbeiterkammer: Für alle Belange der Lebensmittelsicherheit - auch für die Futter- und Pflanzenschutzmittel - müsse künftig ausschließlich der Gesundheitsminister zuständig sein. Allerdings: "Wie die Ernährungsagentur jetzt geplant ist, bedeutet das nicht mehr Sicherheit für die Konsumenten, sondern mehr Einfluss für die Landwirtschaft", erklärte ein AK-Sprecher. Der Bock werde zum Gärtner gemacht, wenn die Kompetenzen, etwa bei Futtermitteln, nicht dem Gesundheitsminister übertragen werden. Die SPÖ erklärte unterdessen, Personalmangel sei einer der Gründe für die peinliche Verwechslung der BSE-Proben gewesen. Die notwendigen Kontrollen seien offenbar generell nicht garantiert: "Wie könnte es sonst passieren, dass in einem niederösterreichischen Schlachthof ganz einfach zwei Ohrmarken verschwinden?", sagte SP-Konsumentenschutzsprecher Johann Maier. Verantwortlich dafür seien die Landeshauptleute: "Die sind dafür zuständig, dass genügend Fachpersonal zur Verfügung steht." Bisher einzige Konsequenz aus den Schlampereien: Gesundheitsminister Haupt hat die Veterinärdirektoren der Länder angewiesen, die Schulungen ihrer Mitarbeiter zu intensivieren. (DER STANDARD, Print-Ausgabe, 12.12.2001)