Wien - Irgendwie scheint auch er selbst ratlos. Weshalb ausgerechnet dieses in der Auswahl seiner Dirigenten so selektive Orchester ihn, den Exoten, engagiert hat? Bobby McFerrin kann nur mit den Achseln zucken. "Ich weiß es nicht. Vermutlich hatte es etwas damit zu tun, dass ich vor eineinhalb Jahren mit dem London Philharmonic Orchestra auf Tour war. Einen Monat später kam die Anfrage aus Wien."Am Wochenende gastiert Vokal-Ikone Bobby McFerrin mit den Wiener Philhamonikern im Wiener Konzerthaus. Eine kleine Sensation, von der sich McFerrin noch immer überrascht zeigt. Was er dem Klangkörper an neuen Facetten abringen könne? Er weiß es nicht: "Ich kann nur mich selbst anbieten. Und das bisschen Wissen, das ich habe." Repertoiremäßig wählte der 51-Jährige mit Prokofjews Symphonie Classique , Vivaldi, Ravels Le tombeau de Couperin und Rimski-Korsakows Capriccio espagnole bewusst Kompositionen, mit denen er vertraut ist. "Da es das erste Mal ist, möchte ich an keine Technik denken müssen, sondern mich einfach fallen lassen." Sein dringender Wunsch, sich gerade mit den Philharmonikern auch in Mozart-Partituren zu vertiefen, wurde abgelehnt. McFerrins Beschäftigung mit der Leitung klassischer Orchester ist längst kein koketter Flirt mehr. Ihren Anfang nahm die unorthodoxe Liaison 1988, pikanterweise im selben Jahr, als er mit "Don’t Worry, Be Happy" vom Jazz- zum Popstar mutierte. Leonard Bernstein bestärkte den Sänger in seiner Idee, sich doch einmal ans Dirigentenpult zu wagen. Unterricht bei "Lennie" himself, Seiji Ozawa und vor allem dem profilierten Pädagogen Gustav Meier folgte. An seinem 40. Geburtstag im März 1990 debütierte McFerrin mit dem San Francisco Symphony Orchestra, auf dem Programm stand Beethovens 7. Symphonie . Seither haben ihn immer wieder Orchester eingeladen. Wobei sich McFerrin selbst keinerlei Illusionen darüber macht, dass dies weniger aus künstlerischen Kriterien geschah als aus der Motivation, mittels eines Crossover-Acts die Häuser zu füllen. Die erste Probe für seine Kollaboration stand am Mittwoch auf dem Programm: In Gestalt eines "Solo-Konzerts" im Wiener Konzerthaus, das den Charakter eines Kommunikationsexperiments trug. McFerrin rekrutierte Sänger und Tänzer aus dem Publikum. Erstaunlich willig ließ sich das Auditorium auch beim Ave Maria aus der Reserve locken. Als wäre es die natürlichste Sache der Welt. "Es ist schwer für mich, den 'Boss' herauszukehren, wie man das von Dirigenten verlangt. Ich versuche auch in den Proben durch Vorsingen zu zeigen, was ich will", so McFerrin. "It’s all Jazz", hatte einst Leonard Bernstein, der in den 60ern selbst Mahler-Kämpfe mit den Philharmonikern durchzustehen hatte, dem Sänger mit auf den Weg gegeben. Vielleicht lautet das dazugehörige Erfolgsrezept nunmehr: "It’s all communication!" (DER STANDARD, Print-Ausgabe, 14. 12. 2001)