Mensch
Angst vor weltweiter Influenza-Epidemie wächst
Manche Fachleute sprechen sogar von einer potenziellen Bioterror-Waffe
Wien - Jeder der will, sollte sich möglichst bald perImpfung gegen die gefährliche Influenza schützen lassen. Werimmunisiert ist, kann das Virus auch nicht auf andere Menschenübertragen. Doch während die Fachleute kurzfristig vor allem denvorbeugenden Schutz per Impfung für diese Wintersaison propagieren,denken sie langfristig an noch viel gravierendere möglicheEreignisse: Das Entstehen "neuer" Influenza-Viren, die eine Pandemie(globale Epidemie) mit Millionen Todesopfern hervorrufen könnten."Sowohl EU als auch WHO beschäftigen sich derzeit sehr intensiv mitmöglichen Vorkehrungen gegen ein solches Ereignis", erklärte derVorstand des Instituts für Sozialmedizin der Universität Wien,Univ.-Prof. Dr. Michael Kunze am Mittwoch. Kunze hat vergangene Woche im Auftrag des österreichischenGesundheitsministeriums an einer Expertensitzung teilgenommen, zu derjedes EU-Land einen Fachmann entsendete. Der Wissenschafter: "Es gehtdarum, die politische Führung der EU vorzubereiten, dassentsprechende Maßnahmen ergriffen werden. International erwartet manfrüher oder später das Auftauchen von Influenza-Erregern, gegen diedie üblichen Impfungen zunächst nicht helfen."
Gen-Shift
Der Hintergrund: In mehr oder weniger regelmäßigen Abständen trittbei den Influenza-Viren ein so genannter Gen-Shift auf. Während sichnormaler Weise die Erreger von Jahr zu Jahr nur gering verändern,können bei einem derartigen radikalen Umschlagen der Erbinformationender Viren Erreger entstehen, gegen die kein Mensch auch nur teilweiseimmun ist. Zur bisher größten Katastrophe kam es 1918-1919 bei der"Spanischen Grippe", die weltweit rund 40 Millionen Menschenlebenforderte.
Kunze fordert seit 1999 einen österreichischenInfluenza-Pandemie-Plan. Schon damals listete der Wiener VirologeUniv.-Prof. Dr. Franz X. Heinz folgende Fragen auf, die geklärtwerden müssten: "Welche Institution übernimmt im Ernstfall dieKoordination von verschiedenen Behörden? Wie wird die Versorgung mitImpfstoffen und antiviralen Medikamenten gewährleistet? Wie wird dieZeit zwischen dem Auftauchen eines neuen Virus und der Verfügbarkeitvon Impfstoffen überbrückt? Wer soll vorrangig versorgt werden beiImpfstoff- bzw. Medikamentenknappheit? Was sind die rechtlichenGrundlagen für Notfallmaßnahmen (Schließen von Kinos etc.)? Wie kanndie allgemeine Versorgung und der öffentliche Verkehr aufrechterhalten werden?"
1957-1958 grassierte weltweit ein neues Virus, das die "AsiatischeGrippe" hervorrief. 1968 folgte dann die "Hongkong-Grippe". JedesJahr, das seit einem solchen Seuchenzug vergeht, macht eine neuederartige Katastrophe nur noch wahrscheinlicher.
Potenzielle Bioterror-Waffe
Kunze: "Einige Experten sehen die Influenza-Viren sogar alspotenzielle Bioterror-Waffe an. Man könnte die Krankheitserreger soverändern, dass ein Stamm herauskommt, gegen den die Impfung nichtmehr wirkt." Das wäre dann eine von Menschenhand geschaffenInfluenza-Pandemie. Allerdings wird es für unwahrscheinlich gehalten,dass Bioterroristen über das Wissen verfügen, solche Influenza-Virenzu erzeugen.
Dringendst notwendig wäre aber, dass sich die Österreicher - auchohne der unmittelbaren Gefahr einer solchen Katastrophe - für dieInfluenza-Saison 2001-2002 durch die Impfung schützen. So erlagen inder vergangenen Wintersaison in Österreich, obwohl keine besondersstarke Epidemie bemerkt wurde, rund 3.000 Menschen den Folgen einerInfluenza. Der größte Teil der Opfer war über 60 Jahre alt.Prinzipiell sollte sich laut den Fachleuten jeder Mensch dagegenimmunisieren lassen. (APA)