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Heinrich Breloer, Regisseur des Fernseh-Dreiteilers "Die Manns", im Porträt
Mit großem Aufwand verfilmte HeinrichBreloer die Geschichte der Familie Mann.ORF und ARD zeigen die Saga "Die Manns"in drei Teilen ab 17. Dezember. Soll mannun fernsehen? Oder lieber die Bücherlesen? Ein Votum für die Lektüre von Richard Reichensperger Wien - Freuen sich zu Weihnachten nicht alle auf Familie? Und wo - abgesehen vonden Munsters - gibt es mehrFamilie als bei Thomas Mann? Familienfotos, Familienmythen, Familientragödien: Verfall von Vorfahren ( Buddenbrooks , 1901), Verfall vonNachfahren (Selbstmorde derSöhne Klaus und Michael),Konflikte mit Mitfahren (Bruder Heinrich, der "französisierende Zivilisationsliterat" imErsten Weltkrieg: Betrachtungen eines Unpolitischen ).
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Die Familie Mann als Paradigma? Wird nun in HeinrichBreloers Saga Die Manns - einJahrhundertroman das Problem Familie gelöst? Leidergeht es nicht so einfach. DerFilm ist zu schlecht, trotz derausgezeichneten Zeitzeugen,primär der jüngsten Mann-Tochter Elisabeth (geb. 1919),die als Interviewpartnerin einen roten Faden durch diedrei Teile zieht. Breloer ist ja bekannt geworden durch seine Kombinationen von Dokumentar- mitSpielszenen (u.a. zur Schleyer-Entführung, Das Todesspiel , 1997). Mit dieser Methode - Interviewpassagenwechseln mit Spielszenen -nähert er sich nun auch "der" deutschen Großfamilie. Ein Beispiel: Oktober 1929,die das Haus samt Insassen(fünf Kinder, Personal) regierende Ehefrau Katia (unsäglich harmlos: Monica Bleibtreu) geht zum Telefon. HierStockholm. Nobelpreis. Thomas Mann, leider vollzieht ergerade seinen Mittagsschlaf,ist am Ziel. In Schwarz-Weißsteht sein Double ArminMüller-Stahl (elegant-zurückhaltend) im Festsaal undspricht (Originalton der damaligen Rundfunksendung).Dann aber eilt die Fernsehregie - die Sendezeit ist begrenzt - die Stufen des vorläufigenAbstiegs hinunter: Nationalsozialisten durchsuchen - allzu schöne Farbaufnahmen -die Villa in München-Pasching, die Familie emigriertüber die Schweiz in die USA,davor noch schnell die tausendmal schon gezeigte Szeneder Bücherverbrennung. Undviele sehr oberflächliche Sätzeüber den "Naziterror". EineSchlagzeilensprache. Das haben Soap-Operas so an sich. Wie wild ist dagegen dieWirklichkeit: Heinrich Mann, der ältere, doch von seiner inBrasilien geborenen MutterJulia de Silva weniger geliebteSohn, der von früh an sich mitProstituierten und Randständigen abgibt. Bei Breloer spieltVeronica Ferres Heinrichsvom vornehmen Bruder-Clanverachtete Frau Nelly Kröger,wirkt aber wie eine Plastikpuppe am Swimmingpool. Unbewältigt in der Familieauch die gewaltige Spannungzwischen dem Anspruch, dierepräsentative bildungsbürgerliche deutsche Familie zu sein - und den (aus bürgerlicher Sicht) skandalösen Brüchen darin: Thomas Manns inden Tagebüchern explizitausgesprochene Homosexualität; diejenige seiner KinderKlaus und Golo, auch Erikasall zu enge Bruderbindungund ihre lesbischen Beziehungen; dann die gebrocheneTochter Monika - zittrig in einer der leider viel zu kurzenInterviewpassagen (auf derFlucht in die USA war dasSchiff torpediert worden: sieüberlebte, ihr Mann ertrank);und zuletzt der jüngste, derungeliebte Sohn Michael, derdachte, Germanist werden zumüssen: Selbstmord 1977. Einzig die unverwüstlicheMatrone Katia und auch Elisabeth, die Meeresbiologin wurde ("Mamas klapperndeSchreibmaschine - sie führteja die ganze Korrespondenz,viele Briefe sind von ihr formuliert, hörte ich immer beimEinschlafen"), entrannen derGroßdichter-Traumatisierung, wo alles Literatur wurde: Schön der Interviewsatzdes Enkels Frido, es habe ihndoch ein wenig unangenehmberührt, im Doktor Faustus (alsLieblingsenkel) schon gestorben zu sein. Nun: Heinrich Breloer wollte diesen Konflikten nicht vonvornherein ausweichen, sieziehen sich durch die Teile.Am besten in den Interviews.In den Spielszenen aber versinken sie im Weichzeichner.Drogensucht etwa zeigt dieseFernsehästhetik betulich inrotem und grünem Licht (Dämonie!). Fast alles wirkt wiebei den Buddenbrooks : Abernicht wie das Buch, sondernwie deren TV-Adaption 1978.Es ist also geschafft: ThomasMann braucht gar nicht mehrgelesen werden. Schließlichist seine Familie ja schon verfilmt. Die neue Forsythe-Saga.

Die Fernsehtermine: 17. 12.,19. 12., 21. 12. jeweils 20.15

WEB-TIPP:"Die Manns"-Special @ ARTE-TV.com

(DER STANDARD, Print-Ausgabe, 13. 12. 2001)