Inland
Internationaler Haftbefehl gegen Bülent Öztoplu aufgehoben
ECHO-Leiter: Deutscher Richter vermutet "politische Intrige" aus Österreich
Wien/Mannheim - Der internationale Haftbefehl gegen den
Leiter des Wiener Jugendvereins ECHO, Bülent Öztoplu, wird
aufgehoben. Das sagte der Beschuldigte am Mittwoch Nachmittag
nach einem Termin beim Mannheimer Landgericht. Öztoplu wurde
am 12. September auf Grund des Haftbefehles in Wien festgenommen. Ihm
wird vorgeworfen, im Jahr 1984 im Zuge eines Handgemenges zwischen
Zivilpolizisten und türkischen Staatsbürgern einem Beamten einen
Messerstich versetzt zu haben. Öztoplu war unter großem Medieninteresse vor dem Mannheimer
Gericht erschienen. Der Haftbefehl werde gegen eine Kaution von
10.000 Mark (5.113 Euro/70.355 S) aufgehoben, deutlich weniger als
die ursprünglich im Raum stehenden 50.000 Mark (25.565 Euro/351.776
S), erklärte seine Verteidigerin in Deutschland, Elke Nill. Dem
Beschuldigten wurde zudem sein Pass ausgehändigt, er hat seine
Reisefreiheit wieder erlangt.
"Wichtiger Teilerfolg"
"Der Richter ließ durchblicken, dass die Sache positiv erledigt
wird", sagte Öztoplu. "Es tut ihnen Leid, ich bin eine Belastung
geworden." Der Leiter von ECHO bezeichnete die Entscheidung als
"wichtigen Teilerfolg". Zudem habe das Gericht durchblicken lassen,
dass die Wiederaufnahme des Falles nicht aus Deutschland betrieben
worden sei.
Er glaube, es handle sich um eine "politische Intrige", so
Öztoplu. "Ich habe das Gefühl, dass das sehr viel mit meiner
Tätigkeit in Österreich (Öztoplu war vor seiner Festnahme unter
anderem Mitglied einer Kommission des Menschenrechtsbeirats, Anm.) zu
tun hat." Er forderte die Gültigkeit der Unschuldsvermutung ein.
Formelle Beschwerde wird überlegt
Nill sagte zur APA, man überlege sich eine formelle Beschwerde
gegen den Haftbefehl. Es werde nun die Hauptverhandlung terminisiert,
sie werde nicht vor dem zweiten Quartal 2002 über die Bühne gehen.
Das Verfahren sei in einem Stadium angelangt, in dem es durch ein
Urteil abgeschlossen werden müsse - entweder mit einer Einstellung,
einem Freispruch oder einer Verurteilung. Der Richter habe
durchblicken lassen, dass gute Aussichten auf einen Freispruch
bestünden.
"Wir haben auch die Unglaubwürdigkeit des Hauptbelastungszeugen
zur Sprache gebracht", sagte Nill. Dem Polizeibeamten B. - er
verletzte Öztoplu im Jahr 1984 mit einem Schuss am Gesäß - wurde im
Jahr 1997 bei einer anderen Verhandlung Unglaubwürdigkeit
vorgeworfen. Auch im Gerichtsverfahren gegen drei Landsleute aus dem
Jahr 1985, in dem die Auseinandersetzung zwischen Polizeibeamten und
den Türken behandelt wurde, gab es einige Ungereimtheiten.
"Maximale juristische Entscheidung"
"Es wird morgen per Fax an die Staatsanwaltschaft Wien und das
Landesgericht Wien die Mitteilung ergehen, dass der Haftbefehl gegen
meinen Mandanten ausgesetzt wird", sagte der Wiener Anwalt von
Öztoplu, Richard Soyer,. Das Thema Auslieferungshaft sei
damit vom Tisch, er erwarte auch, dass das Auslieferungsbegehren
sofort zurückgezogen werde. "Aus meiner Sicht handelt es sich um die
maximale juristische Entscheidung, die realistischerweise erreicht
werden konnte."
Es sei nicht selbstverständlich, dass die Justizbehörden
"Fehlentscheidungen von früher korrigieren", meinte Soyer. Die
Suspendierung Öztoplus als Mitglied einer Kommission des
Menschenrechtsbeirats sei wohl erst nach einem Freispruch oder einer
Einstellung des Verfahrens rückgängig zu machen. Die Causa habe aber
eine Schwachstelle im System gezeigt: Es gebe nämlich kein
rechtliches Instrumentarium für eine Suspendierung eines Mitglieds
einer Kommission.
Hier sei Innenminister Ernst Strasser (V) gefordert, mehr Schutz
für die Mitglieder herbeizuführen, so Soyer: "Wenn die
Kommissionsmitglieder des Menschenrechtsbeirats ihre Kontrollfunktion
wirksam ausüben sollen, dann müssen sie rechtlich abgesichert sein." (APA)