Wien - Die Frage, wer Schuld am Scheitern einerVier-Parteien-Einigung ist, dominierte Mittwoch Abend im Nationalratdie Debatte über die Sicherheitsdoktrin. Nach monatelangenVerhandlungen haben sich zuletzt nur ÖVP und FPÖ geeinigt. DieOpposition stimmte nicht zu, weil sie - wie auch im Nationalratbetont wurde - sich nicht für die Abschaffung der Neutralitäthergeben wolle. Verteidigungsminister Herbert Scheibner (F) meinte,seit dem EU-Beitritt Österreichs seien die Grundsätze der Neutralitätnicht mehr einzuhalten. In der neuen Doktrin wird die Neutralität in Allianzfreiheitumdefiniert, die Option des NATO-Beitritts soll "im Auge behalten"werden. Gleichzeitig soll die Verwirklichung einer gemeinsameneuropäischen Verteidigung aber "prioritär" unterstützt werden. Alsmögliche Bedrohungsszenarien werden internationaler Terrorismus,Waffen-, Drogen- und Menschenhandel sowie in Migration undUmweltkatastrophen dargestellt. In der Doktrin findet sich dasBekenntnis zur "ständigen Luftraumüberwachung und Luftraumsicherung",solange Österreich an keiner gemeinschaftlichen Verteidigungteilnimmt - und zur Beibehaltung der allgemeinen Wehrpflicht. "Auch allianzfrei" Österreich sei "auch allianzfrei", wie es in der Doktrin jetztheißt, aber "Neutralität erschöpft sich nicht darin, dass wir keinemBündnis angehören", meinte SPÖ-Verhandler Caspar Einem. "Daswesentliche Ziel" der Neutralität sei, dass sich Österreich nicht anKriegen beteiligt - "das ist, was die Menschen in diesem Lande andieser Neutralität schätzen". Außerdem habe die SPÖ nicht zustimmenkönnen, weil vor allem die ÖVP "unbedingt in die NATO will". ÖVP-Verhandler Michael Spindelegger attestierte Einem,"konstruktiv mitgearbeitet" zu haben, aber in letzter Konsequenz habedie SPÖ selbst Einems Formulierungsvorschläge abgelehnt. Dass sichdie SPÖ "ausgeklinkt" habe, überrasche ihn nicht: "DieSozialdemokraten haben nämlich seit jeher ein gestörtes Verhältnis zuFragen der Landesverteidigung." Österreich sei zwar "Gott sei Dank"nie in einen Verteidigungsfall geraten, "aber die Neutralität alleinehätte uns sicher nicht geschützt bei einem Angriff". Ablaufdatum Nationalratswahl "Die Mehrheit der Bevölkerung steht nicht hinter derAllianzfreiheit, sondern hinter der Neutralität", lehnte auch derGrüne Verhandler Peter Pilz die Umdefinition ab. ÖVP und FPÖ hättendie Stimmen der Opposition gewollt, "um hinter dem Rücken derBevölkerung" die Neutralität abzuschaffen. Pilz ist überzeugt, dassdie Sicherheitsdoktrin "ein Ablaufdatum hat, das ist der Abend dernächsten Nationalratswahl". FPÖ-Verhandler Wolfgang Jung warf der SPÖ eine "zwiespältigeLinie" vor: Sie wolle keine Kriege führen, aber an "pazifizierendenAktionen" teilnehmen - dabei sei dies dasselbe wie Krieg. Ebensozwiespältig sei es, wenn die SPÖ für die Teilnahme an einemeuropäischen Bündnis ausspreche, aber neutral sein wolle. Die SPÖ würde, kritisierte Scheibner, "etwas verteidigen, was Sieselbst abgeschafft haben". Die im Zuge des EU-Beitritts vorgenommeneVerfassungsänderung, dass Österreich an Kampfeinsätzen zurFriedenserhaltung beteiligt werden kann, stehe im Widerspruch zurNeutralität. Die Sicherheitsdoktrin nannte Scheibner einen"Meilenstein für die österreichische Sicherheitspolitik". Es hätteaber auch "ein historischer Moment sein können, wenn es gelungenwäre, dass alle über ihren eigenen parteipolitischen undideologischen Schatten gesprungen wären". (APA)