Wirtschaft
Bankgeheimnis hält länger
EU-Finanzminister vertagen Zinsmeldepflicht - Verhandlungen mit der Schweiz
Die Galgenfrist für Österreichs
Bankgeheimnis ist um ein Jahr
verlängert worden. Finanzminister Karl-Heinz Grasser
sprach von einem "schönen
Erfolg", als er Freitagfrüh in
Brüssel das Beratungsergebnis
des EU-Finanzministerrats
zur Zinsertragsbesteuerung
der Presse erläuterte.Die Haushaltshüter der EU-
15 hatten sich in der Frage der
Besteuerung von Zinserträgen
spät am Vorabend nach fast
dreistündiger Debatte auf einen Kompromiss geeinigt, der
eine endgültige Entscheidung
um ein Jahr hinauszögert.
Gleichzeitig wurde der Weg zu
Verhandlungen mit Nicht-EU-
Staaten freigemacht, die bisher uneingeschränkt an ihrem
Bankgeheimnis festhalten -
und damit von Österreich und
Luxemburg als gefährliche
Konkurrenten um Kapitalanlagen angesehen werden.
Umstritten zwischen Österreich und Luxemburg auf der
einen und den übrigen 13
Staaten auf der anderen Seite
ist, ab wann die Banken in allen EU-Ländern verpflichtet
werden sollen, Informationen über Geldanlagen den Steuerbehörden in anderen Mitgliedstaaten offen zu legen.
Eine grundsätzliche Einigung
auf dieses Meldesystems hatten die EU-Staats- und Regierungschefs schon bei ihrem
Gipfel im portugiesischen Feira im Juni 2000 erzielt.
Gefahr für Position als Finanzplatz
Österreich und Luxemburg
sehen darin aber eine Gefahr
für ihre Position als Finanzplatz, solange andere Staaten
wie die Schweiz oder Liechtenstein ihr Bankgeheimnis
beibehalten. Grasser drückte
für diesen Fall die Furcht vor
einer "Kapitalflucht" aus.
In Brüssel verabschiedeten
die Finanzminister zwar nun
wieder nicht die vorbereitete
Richtlinie über das Meldesystem. Sie einigten sich aber
über die Verhandlungsposi_tion, die die EU gegenüber
Drittstaaten einnehmen soll.
Ende 2002 soll dann, so der
Kompromiss, das Ergebnis dieser Verhandlungen geprüft
werden. Doch selbst dann fällt
Österreichs Bankgeheimnis
nicht sofort: Wien hatte sich
von vornherein eine Übergangsfrist von sieben Jahren
ausbedungen, während der es
Zinserträge nur besteuern,
nicht aber ins Ausland weitermelden muss.
Gute Aussichten
Die EU-Staats- und Regierungschefs nahmen den Kompromiss ihrer Finanzminister
am Freitag bei ihrem Gipfel in
Laeken zur Kenntnis. Im Übrigen wollen sie angesichts der
düsteren Weltwirtschaftslage
von ihrem Treffen ein optimistisches Signal aussenden: Es
bestünden gute Aussichten,
dass sich die Konjunktur im
Frühjahr 2002 schon wieder
erholen werde, soll es sinngemäß in der Schlusserklärung des Gipfels heißen. (DER STANDARD, Printausgabe 15.12.2001)