Der Italiener Kristian Ghedina (32) verkörpert wie kaum ein anderer den wilden Hund, der im Abfahrer steckt. Wenige Teile von ihm sind noch nicht von den Ärzten repariert worden. Eine richtige Abfahrt hat seiner Meinung nach gefährlich zu sein. Auto- und Motorradrennen fährt er auch sehr gern. Daheim kocht er selbst."Ja keine Angst haben" "Am Start denk' ich mir nur: Vollgas. Und ja keine Angst haben. Dann kann gar nichts passieren." Kristian Ghedina blieb dieser Devise auch treu, als er im Starthaus von Val d'Isère stand, über Funk vom Unfall des Silvano Beltrametti informiert wurde, hörte, dass dieser seine Beine nicht mehr spürte. "Dann habe ich trotzdem ein Problem gehabt, es hat mich hinten hineingedrückt, aber es ist sich gerade noch ausgegangen." Keine Pläne für "nachher" Eine richtige Abfahrt hat seiner Meinung nach gefährlich zu sein, deshalb liebt er auch die Strecken in Kitzbühel und in Gröden, während er die kurvenreichen, wo mehr die Technik und weniger der Mut entscheidet, nicht sonderlich mag. Elf Abfahrten, drei davon in Gröden, und einen Super-G hat der Cortinese bereits gewonnen in seiner Karriere. Und an ein Ende der selben möchte er nicht denken. "Weil ich nicht weiß, was ich nachher machen soll." Stolz auf Verletzungen? Man kann nicht gerade sagen, dass ihm noch nichts passiert ist in seinem schnellen Leben. Voller Stolz deutet er auf jene Körperteile, die er sich schon schwer bedient hat bei allen möglichen Gelegenheiten, nur seinem wichtigsten sei noch nichts passiert. Aktuell ist ein blessierter Knöchel. Geholt hat er sich diesen beim Kicken in Cortina. "Ich bin auf den Ball gestiegen und umgeknickt." Vollgas in allen Bereichen Am gröbsten erwischte es ihn 1991 bei einem Autounfall. Reifenplatzer bei 200 km/ h auf der Autobahn. Schädelbasisbruch, Nasenbeinbruch, Koma. "Jetzt gibt's so viel Radar, es ist mühsam geworden, normal zu fahren." Wenigstens geht das auf Rennstrecken. Am vergangenen Sonntag fuhr er ein Cart-Rennen in Bologna, wurde Achter, gewonnen hat Ex-Formel-1-Fahrer Gianni Morbidelli. "Aber der ist um 25 Kilo leichter." Den vielfachen Motorrad- Champion Mick Doohan ließ er hinter sich. Er glühte mit einem Ferrai 355 in Imola, mit dem Motorrad fuhr er in der italienischen Supermotard- Serie. "Im Qualifying war ich immer gut, einmal hatte ich sogar Pole-Position, im Rennen bin ich immer gestürzt." Skispringen "war fad" Im Vorjahr haute es ihn bei einem Salto im Training auf den Rücken. Zwei Wirbel und Brustbein gebrochen. Heuer hat er den Salto unfallfrei geschafft. Im Sommer versuchte er sich auf den Mattenschanzen in Predazzo. 62 Meter auf der K-60ze, 65 m auf der K-90, 68 m auf der K-120. "Es war sehr fad. Ich bin zu schwer." Da taugt ihm eine Grätsche beim Sprung über die Kamelbuckeln schon mehr. In Österreich ist er bekannter als in Italien. "Da müsste ich öfters öffentlich auftreten. Aber das interessiert mich nicht. Ich bin lieber zu Hause, wenn ich keine Rennen fahre." Dort kocht der Single Schlutzkrapfen oder Gnocchi oder Knödel. (DER STANDARD-Printausgabe, Freitag, 14.12.2001, Benno Zelsacher)