Ostjerusalem/Wien - Eine unruhige Nacht hat Helga Baumgarten, deutsche Politikwissenschafterin an der - derzeit gelähmten - Birzeit Universität hinter sich, die massiven Bombardements von Ramallah habe man auch in Ostjerusalem gehört. Von der Zerstörung hat sie sich von Studenten telefonisch berichten lassen. Das palästinensische Radio ist tot, der Sender in Ramallah offensichtlich zerstört. In "systematischen Schritten" werde die palästinensische Autonomiebehörde zerschlagen, ist Baumgarten im Gespräch mit dem Standard überzeugt, das lasse sich aus den Zielen der Israelis ablesen - in Bethlehem wurden etwa mutwillig Verkehrsampeln zerstört oder in Ramallah ein statistisches Büro der Behörde. Dabei soll Arafat nicht "ersetzt" werden, an die Stelle der jetzigen Behörde werde wieder eine vollständige israelische Besatzung treten. Arafats Maßnahmen gegen die Islamisten, erzählt Baumgarten, würden in der palästinensischen Gesellschaft negativ aufgenommen, wobei jedoch eine in der Presse geführte kritische Debatte über die Selbstmordattentate im Gang sei. In einem Artikel in al- Quds wird als eine ihrer fürchterlichen Folgen genannt, dass sie in Israel das Argument der jüdischen Siedler in den besetzten Gebieten gestützt hätten, das da lautet: "Wir sind eure Vorposten, nach uns werden sie euch angreifen." Tatsächlich wurde gerade beim letzten Anschlag auf den Bus auch international kaum mehr erwähnt, dass er nicht in Israel, sondern in den besetzten Gebieten stattfand, "die Besetzung wird nicht mehr in- frage gestellt", so Baumgarten. Die Palästinenser selbst würden jedoch klar zwischen dem Widerstand auf ihrem Gebiet einerseits und Gewalt in Israel andererseits unterscheiden. Die Hamas hält Baumgarten für so pragmatisch, dass sie die Terrorangriffe in Israel einstellen würde, wenn Israel die "gezielten Morde an palästinensischen Aktivisten unter Hinnahme von zivilen Opfern" stoppt. Israels Forderung an Arafat, den Terrorismus hundertprozentig in den Griff zu bekommen, hält Baumgarten für hochgradig unfair. Das sei Israel mit seinem mächtigen Sicherheitsapparat in 34 Jahren Besatzung nicht gelungen, aber Arafat mit einem "Minimum an Macht und gebundenen Händen" solle das leisten.(DER STANDARD, Print- Ausgabe, 14. 12. 2001)