Das digitale Zeitalter verändert den Alltag der Menschen", meint Peter Glotz, Direktor am Institut für Medien-und Kommunikationsmanagement der Universität Sankt Gallen. "Allerdings nicht so stark und nicht so sehr ins Negative, wie manche postmoderne Intellektuelle glauben."

Auch die Mediennutzung der Menschen werde sich nicht so schnell verändern. Doch immerhin: "Der Trend, der unseren Alltag am tiefsten prägen wird, ist ohne Zweifel Beschleunigung", resümiert der Kommunikationswissenschafter bei einer von STANDARD und Industriellenvereinigung veranstalteten Podiumsdiskussion zum Thema "Amerikanisierung - Nivellierung der Alltagskultur durch das Medienzeitalter".

Beschleunigung ist denn auch für Saatchi-&-Saatchi-Geschäftsführerin Beatrix Kerbler das Stichwort: "Alles wird vernetzter, gleicher, schneller", Zeit zunehmend ein Luxusgut. Hier versucht der ehemalige RTL-Chef Helmut Thoma zu beschwichtigen: Der bestimmende Faktor bei aller Entwicklung sei der Mensch. "Und der ändert sich nicht so schnell, wie viele Fantasten glauben."

Publikum als Kunde

So hätten sich auch die Medieninhalte nicht wesentlich geändert, seit es Fernsehen gibt. Altes werde als immer Neues verkauft, meint Thoma und vergleicht TV mit Mode: "Röcke werden kürzer und wieder länger, bewegen sich aber immer in einem gewissen Rahmen." Es gelte lediglich den richtigen Trend zu erkennen. "Muss man in Österreich nicht eher Trends in den Parteisekretariaten erkennen?", fragt STANDARD-Chefredakteur Gerfried Sperl als Moderator. "Das ist sowieso Naturschutzgebiet hier", winkt Thoma ab.

Amerikanisierung erkennt Thoma in Europa nicht

Und die "Amerikanisierung"? Die kann Thoma in Europa nicht erkennen. Eher umgekehrt: Mit Formaten wie "Big Brother" habe man gar eine "Europäisierung des TV in Amerika" erreicht. Jeglicher Vorsprung des amerikanischen TV-Marktes sei aufgeholt: "Es gibt kaum etwas, das wir noch lernen können."

Stimmt nicht, sagt Glotz: "Die Übermacht der amerikanischen Kommunikationsgesellschaft ist nach wie vor gegeben." Nur weil man in den USA gelegentlich "Big Brother" sende, könne man doch nicht von Europäisierung sprechen.

Zur Amerikanisierung fällt "Falter"-Herausgeber Armin Thurnher die Verlagsgruppe News ein. Denn dort ortet er extremen Amerikanismus: Das Publikum sei nicht mehr Kommunikationspartner, sondern nur Kunde: "Aufmerksamkeit wird mit allen Mitteln eingesammelt und an die Werbung weitergegeben."

Hier hakt der Wiener Soziologe Reinhold Knoll ein: Er sieht die moderne Gesellschaft als "Publikum, das über die Medien produziert wird". Aus den Sekundärerfahrungen der Medien baue sich der Mensch ein Bewusstsein ohne Reflexion. (jed/DER STANDARD; Print-Ausgabe, 15./16. August 2001)