EU
EU schafft Konvent für Institutionenreform
15 Staats- und Regierungschefs erzielen keine Einigung über neue Behörden - starke Erklärung zu Ökopunkten - schwache zu Atomsicherheit
Brüssel - Zwei Jahre vor der EU-Erweiterung
haben die 15 Staats- und Regierungschefs beim Brüsseler Gipfel am
Samstag die "Erklärung von Laeken" verabschiedet. Damit soll eine
breite Debatte über mehr Bürgernähe und weniger Bürokratie
eingeleitet werden. Die 13 Beitrittskandidaten werden an der
Diskussion beteiligt. Im Schlussdokument des Gipfels werden zehn von
ihnen erstmals als wahrscheinliche Aufnahmekandidaten für das Jahr
2004 genannt. Die Verteilung von neun neuen EU-Behörden auf die Mitgliedsstaaten
scheiterte jedoch an den hartnäckigen Forderungen Frankreichs und
Italiens. Der italienische Ministerpräsident Silvio Berlusconi
bestand auf der Ansiedlung des Amtes für Lebensmittelsicherheit in
Parma, obwohl Helsinki die Unterstützung zahlreicher anderer Länder
hatte. Frankreich beanspruchte die neue Seeschifffahrtsbehörde, für
die sich auch Portugal bewarb. Der belgische amtierende
EU-Ratsvorsitzende Guy Verhofstadt zog daraufhin das Paket für die
Sitze aller neuen EU-Behörden zurück.
Mehr als 100 Mitglieder
Die Debatte über grundlegende EU-Reformen soll in einem mehr als
100 Mitglieder umfassenden Konvent geführt werden. Zum Präsidenten
ernannte der Gipfel den ehemaligen französischen Staatschef Valery
Giscard d'Estaing. Seine Stellvertreter wurden die früheren
Ministerpräsidenten von Belgien und Italien, Jean-Luc Dehaene und
Giuliano Amato. "Die Bürger finden, dass alles viel zu sehr über
ihren Kopf hinweg geregelt wird, und wünschen eine bessere
demokratische Kontrolle." Die EU müsse "demokratischer, transparenter
und effizienter werden", hieß es in der Erklärung.
Österreich erreichte im Bereich der Verkehrspolitik, dass der Rat
in seiner Schlusserklärung die EU-Kommission auffordert, einen
Vorschlag für die Verlängerung des Ökopunktesystems im Transitverkehr
vorzulegen. Dieser soll die Union in die Lage versetzen, das
Verkehrskapitel bis Jahresende abzuschließen. Für Bundeskanzler
Wolfgang Schüssel (V) haben damit alle vierzehn EU-Länder ihr
grundsätzliches Einverständnis zur Verlängerung des Ökopunktesystems
gegeben.
Reaktorensicherheit endlich Thema
Die EU ist nun auch erstmals bereit, die Sicherheit von
Atomreaktoren ausreichend zu beobachten, wie von Österreich vehement
gefordert. Die Mitgliedsländer verpflichten sich nun, einen hohen
Sicherheitsstandard zu erhalten. Die jeweiligen nationalen
Atomexperten sollen regelmäßige Berichte vorlegen und dabei engen
Kontakt mit der EU-Kommission halten.
Die Staats- und Regierungschefs stellten auch die erste
Einsatzbereitschaft einer europäischen Eingreiftruppe fest. Bis Ende
2002 wollen die Mitgliedsstaaten 60.000 Soldaten für diese Truppe
melden. Im Gipfelbeschluss heißt es ausdrücklich, es gehe nicht um
die Schaffung einer "europäischen Armee". Andauernde Rivalitäten
zwischen dem EU-Land Griechenland und dem NATO-Mitglied Türkei
verhinderten weiterhin die geplante Übereinkunft zur militärischen
Zusammenarbeit zwischen der EU und der NATO.
Am Samstagnachmittag kamen auch die Regierungschefs der
Beitrittskandidaten zum Gipfeltreffen. Im Schlussdokument wird die
Perspektive bekräftigt, die Verhandlungen mit den am weitesten
fortgeschrittenen Ländern nächstes Jahr abzuschließen. Ausdrücklich
genannt werden Estland, Lettland, Litauen, Malta, Polen, die
Slowakische Republik, Slowenien, Tschechien, Ungarn und Zypern. (APA/dpa/Reuters)