Connie Palmen, Die Freundschaft

Die Niederländerin Connie Palmen kann erzählen wie wenige - bildhaft und analytisch, frisch und tiefgründig, einfach und komplex zugleich. Von so einer Autorin möchte man alles lesen. Die Freundschaft, ihr zweiter Roman, handelt von Schulhöfen und Fleischklopsen, der Anziehungskraft zwischen zwei sehr unterschiedlichen Mädchen und jungen Frauen, von Liebe und Abhängigkeit. Und, natürlich, wie immer, von der Macht des Wortes, der Gedanken. (Kirstin Breitenfellner)

Connie Palmen, Die Freundschaft. öS 138,-/ EURO10,03/ 348 Seiten. Diogenes, Zürich 1998.



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Rüdiger Safranski, Wieviel Wahrheit braucht der Mensch?

Einer Begegnung mit Rüdiger Safranski, dem "Schriftsteller und Privatgelehrten", ist die späte Lektüre seines Essay-Bandes zu verdanken: Wieviel Wahrheit braucht der Mensch?, eine Sammlung von Versuchen, zwischen einem armen und einem wüsten Leben den rechten Gang zu finden. Die Fragen nach dem, was wahr ist oder sein könnte, stellt er anhand von Schriften und Biographien, von Rousseau bis Goebbels.(Michael Freund)

Rüdiger Safranski, Wieviel Wahrheit braucht der Mensch? Über das Denkbare und das Lebbare. öS 131,-/ EURO9,52/210 Seiten, Fischer, Frankfurt 1993(2001).



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Ludwig Hohl, Die Notizen.

Hohl ist nicht einer, über den es viel zu sagen gibt, sondern einer, der etwas zu sagen hat." schrieb Peter Bichsel auf die Gerüchte anspielend, die sich um den in Genf in einem Keller lebenden Ludwig Hohl (1904-1980) rankten. Hohls Notizen mit dem schönen Untertitel Von der unvoreiligen Versöhnung waren lange vergriffen und sind seit einiger Zeit wieder greifbar. Hohl vertritt keine Meinungen, er stellt fest. Wütend, prophetisch und immer subjektiv. Eine intensive Annäherung an die Themen Arbeit, Kunst und Tod. Lesenswert. (Stefan Gmünder)

Ludwig Hohl, Die Notizen. öS 269,-/EURO19,55/ 832 Seiten. Suhrkamp, Frankfurt/Main 2000.

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Thomas Mann,Joseph und seine Brüder

Wem das schleppende ARD-Fernsehspiel noch nicht die Lust genommen hat, sich mit Thomas Mann zu beschäftigen, dem sollte man gerade jetzt die Josephs-Tetralogie empfehlen. Was zunächst wie eine Zurschaustellung von Gelehrigkeit und kalter stilistischer Brillanz wirkt, entpuppt sich schon bald als ein wunderbar selbstironisches Spiel mit Sprache, Mythen, historischem Hintergrund und geschickt eingesetzten Anachronismen. (Daniel Kehlmann)

Thomas Mann,Joseph und seine Brüder. Fischer Taschenbuch. öS 566,-/EURO 41,13 (alle 4 Bände), 1600 Seiten. Fischer, Frankfurt/Main 2000.

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Herman Melville, Bartleby.

Ich ziehe es vor, es nicht zu tun." Die möglichweise einzige erfolgreiche Taktik, während seines Erdendaseins nur geringen Schaden anzurichten, besteht darin, sich zu verweigern. Bürodiener Bartleby, der eines Tages beschließt, erst zur Arbeit und schließlich zum Leben nein zu sagen, ist dabei sicherlich die radikalste Figur der Literaturgeschichte. Neben der ausgezeichneten, heuer von Matthias Jendis für den Hanser Verlag unternommenen Neuübersetzung des Moby Dick zählt diese Erzählung von Herman Melville zum Pflichtenkanon jedes Lesers. (Christian Schachinger)

Herman Melville, Bartleby. Aus dem Amerikanischen von John und Peter von Düffel. öS 277,-/EURO20,13/ 55 Seiten. Merlin, Gifkendorf 1999.

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Gabriel Garciá Márquez, Der Oberst hat niemand, der ihm schreibt.

Die Geschichte eines Obersten, der seit Jahrzehnten in einem kolumbianischen Dorf auf die Bestätigung seiner Veteranenpension wartet. Er und seine kranke Frau sind am Ende, weil sie für das Wohlergehen ihres Kampfhahns hungern, dem einzigen Erbstück ihres von der Polizei erschossenen Sohnes. Eine einfache, aber symbolkräftige, bilderstarke immer noch grandiose Geschichte über Unbeugsamkeit und Hoffnung, obwohl schon vor 40 Jahren in Spanisch erschienen. (Gabriel Loidolt)

Gabriel Garciá Márquez, Der Oberst hat niemand, der ihm schreibt. öS 72,-/ EURO5,23/125 Seiten. Kiepenheuer u. W., Köln (1998)

Verlag Kiepenheuer u. W.:

Verlag DTV:

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Peter O. Chotjewitz, Als würdet ihr leben.

Gerade zu den Feiertagen der kommerzialisierten Liebe blühen die unlauteren Gedanken. In der Literatur indes pflegen selbst die Amokläufe noch gut auszugehen. Außerdem: wen sollte man schon umlegen wollen in der besten aller Welten, also der unsrigen? Der 1968er-Dinosaurier Peter Chotjewitz, gibt eine luzide Antwort. Eigentlich ist es ja seine Protagonistin, eine obergescheite 18-Jährige, die nicht mehr älter werden will, weil sie einfach genug hat. Und so sehr normalerweise die Perspektiven Adoleszenter nerven, wenn sie von von alternden AutorInnen wiedergegeben werden, so respektlos wie amüsant geht es hier zu. (Clemens Ruthner)

Peter O. Chotjewitz, Als würdet ihr leben. öS 289,-/EURO 21,00/ 233 Seiten. Rotbuch, Hamburg 2001.

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Anna Enquist, Die Verletzung.

Zehn wunderbare Geschichten über Menschen, deren Leben sich durch eine existenzielle Bedrohung verändert: die Niederländerin Anna Enquist schreibt glasklar und einprägsam. Sie verwendet Stoffe aus vergangenen Jahrhunderten, schickt moderne Frauen in Häuser und zu One-night-stands, die nachher nicht mehr aufzufinden sind und kehrt immer wieder aufs Meer zurück, wo sich ihre Figuren dem Äußersten stellen müssen. (Ingeborg Sperl)

Anna Enquist, Die Verletzung. öS 263,-/EURO19,11/ 217 Seiten. Luchterhand, München 2001.



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Dzevad Karahasan, Sara und Serafina.

Im Winter 1993 wird Sara auf eine Polizeiwache in Sarajevo gebracht, weil sie sich auf einer Straßenkreuzung den Scharfschützen dargeboten hat. Diesen Tag will ein Ich-Erzähler narrativ, im Reden, wiederholen: Wo Wiederholung ist, ist Leben. In dem großartigen Roman Sara und Serafina illustriert Dzevad Karahasan, der bedeutendste zeitgenössische Autor Bosniens, menschliche Grundfragen, indem er die Extremsituation des Krieges als entsetzliches Experiment denken läßt. (Klaus Zeyringer)

Dzevad Karahasan, Sara und Serafina. Aus dem Serbokroat. von Barbara Antkowiak. öS 218,-/EURO15,84/ 192 Seiten. Rowohlt Berlin, Berlin 2000.

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Anton Fuchs, Nächtliche Begegnungen

Zu Lebzeiten blieb der Klagenfurter Autor Anton Fuchs (1920-1995) zu unrecht ein Unbekannter. Doch von Österreichs großem Geheimrat der Parabel liegt ein Band mit den besten Erzählungen vor - geheimnisvoll, skurril, mit großer Wucht. Erneut erweist sich Anton Fuchs als legitimer Doderer-Nachfahre. Der Stoff liegt nahe und ist beängstigend real: So rasen zwei wildfremde Männer auf der Bundesstraße 91 aufeinander zu. (Martin Amanshauser)

Anton Fuchs, Nächtliche Begegnungen. öS 250,-/ EURO18,17/ 176 Seiten. Bibliothek der Provinz, Weitra 2000.

(DER STANDARD, Album, Sa./So., 15.12.2001)