Inland
Gusenbauer gegen Anti- Temelin-Volksbegehren
SP-Chef hält FPÖ antieuropäische Linie und Regierung Versagen bei Konjunkturpolitik vor
Wien - SPÖ-Chef Alfred Gusenbauer übte am Sonntag in der
Fernseh-"Pressestunde" massive Kritik am Anti-Temelin-Volksbegehren
der FPÖ. Die ÖVP bekam ihr Fett für die in Brüssel ausverhandelte
Temelin-Vereinbarung mit Tschechien ab. Die gesamte Regierung
wiederum habe bei der Konjunkturpolitik versagt, beim Thema
Afghanistan sprach sich der SPÖ-Vorsitzende für einen Beitrag
Österreichs bei einem Peace-Keeping-Einsatz aus, in Sachen
Ortstafel-Streit habe sich Kärntens Landeshauptmann Jörg Haider (F)
an das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes (VfGH) zu halten. Was
die neue ORF-Führung anbelangt, sprach sich der SPÖ-Chef indirekt für
die erneute Bestellung von Gerhard Weis aus. Kritik an Gusenbauer kam
von ÖVP und FPÖ, aber auch den Grünen.FPÖ missbrauche direktdemokratisches Instrument
Hinter dem Anti-Temelin-Volksbegehren der FPÖ sieht der SPÖ-Chef
einen erneuten Versuch der Freiheitlichen, ein direktdemokratisches
Instrument, das eigentlich für die Bevölkerung gedacht sei, zu
missbrauchen. Das Volksbegehren richte sich gegen die Erweiterung und
den EU-Beitritt Tschechiens und nicht gegen die Kernkraft. Hier liege
auch der große Unterschied des Temelin-Kurses von FPÖ und SPÖ. Die
FPÖ setze ihre antieuropäische Linie fort, der SPÖ gehe es um das
wichtigste Friedens- und Stabilitätsprojekt der Zeit. Kritik gab es
aber auch an der ÖVP. Den Verhandlern der Brüsseler Vereinbarung mit
Tschechien sei es mehr um Inszenierung als um Substanz gegangen. Die
Vereinbarung sei "nicht befriedigend", in der Substanz habe
Österreich in nahezu allen Fragen nachgegeben.
Kritik an der Regierung hagelte es auch beim Thema Konjunktur:
über Monate habe die Koalition versucht, sich durch Schönreden aus
der Affäre zu ziehen. Dadurch sei Zeit nutzlos verstrichen. Dann habe
man mit einer Serie von Krisengipfeln zum "Gipfelsturm" angesetzt, im
Kern aber nur Maßnahmen vereinbart, die im Budget bereits verankert
gewesen seien. Um die Konjunktur anzukurbeln schlug der SPÖ-Chef u.a.
das Vorziehen von Infrastrukturinvestitionen in Schiene und Straße,
eine Erhöhung der Pensionen im Ausmaß der Teuerungsrate und eine
sozial gerechte Steuerreform vor.
Für Peace-Keeping-Einsatz nach Afghanistan-Feldzug
Für die Zeit nach Beendigung des Feldzuges gegen Afghanistan
sprach sich Gusenbauer für die Teilnahme Österreichs an einem
Peace-Keeping-Einsatz aus. Im Gesundheitsbereich erneuerte der
SPÖ-Chef seine Forderung nach Streichung der
Höchstbemessungsgrundlage in der Krankenversicherung. Im Gegenzug
dürfe es keine Selbstbehalte und Ambulanzgebühren geben. Massive
Kritik kam vom SPÖ-Vorsitzenden zudem an Kärntens Landeshauptmann
Jörg Haider (F). Das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes (VfGH)
in Sachen zweisprachige Ortstafeln sei umzusetzen, durch die von
Haider angestrebte Volksbefragung würde nur die deutschsprachige
gegen die slowenischsprachige Bevölkerung aufgehetzt. Lob gab es von
Gusenbauer für den designierten neuen steirischen SP-Chef Franz
Voves.
Mit Gusenbauer würden die Österreicher einen "Schlingerkurs" in
Kauf nehmen, mit Kanzler Wolfgang Schüssel (V) sei man dagegen auf
"Erfolgskurs", so ÖVP-Generalsekretärin Maria Rauch-Kallat in einer
Aussendung. Der SPÖ-Chef stehe für eine "rückwärts gewandte Politik",
eine vorgezogene Steuerreform etwa wäre eine Rückkehr zur
sozialistischen Politik des Schuldenmachens, denn eine solche Reform
müsse man sich auch leisten können. Orientierungslosigkeit ortete
Rauch-Kallat auch angesichts Gusenbauers Aussagen zu Temelin und der
EU-Erweiterung.
Schweitzer: "schwache Position"
Eine "schwache Position" Gusenbauers ortete FPÖ-Generalsekretär
Karl Schweitzer. Der SPÖ-Chef zeige sich "weiterhin in
Sicherheitsfragen, bei Temelin, bei der Erweiterung und jetzt auch
bei der Diskussion um die Ortstafeln, positionslos", so Schweitzer in
einer Aussendung. Es sei in der SPÖ keine klare Linie und keinerlei
Visionen mehr erkennbar, "in kürzester Zeit ist Gusenbauer auf allen
Linien als Parteiobmann gescheitert".
Weniger pauschal fiel die Kritik der stellvertretenden Klubobfrau
der Grünen, Madeleine Petrovic aus. Sie hätte sich einerseits klarere
Worte des SPÖ-Chefs zum Ortstafelstreit in Kärnten erwartet.
"Skeptisch" zeigte sich Petrovic über den Vorschlag, die
Höchstbemessungsgrundlage in der Krankenversicherung zu streichen.
Das könne eine Maßnahme unter vielen sein, aber nicht "der Stein der
Weisen". Sie pochte auf das Grüne Modell der Grundsicherung. Keine
klare Stellung bezogen hat Gusenbauer für Petrovic zudem beim Thema
Atompolitik. (APA)