Literatur
Deutscher Schriftsteller Stefan Heym ist tot
Am Toten Meer einem Herzversagen erlegen - Entschiedener Kritiker des SED-Staates und des "Ausverkaufs an die Bundesrepublik"
Tel Aviv/Berlin - Der deutsche Schriftsteller Stefan
Heym ist am Sonntag im Alter von 88 Jahren während eines Aufenthalts
in Israel gestorben. Heym sei in einer Hotelanlage am Toten Meer
einem Herzversagen erlegen, bestätigte das Mishkenot-Shaananim
Kulturzentrum in Jerusalem Sonntag Abend einen Bericht des
Fernsehsenders n-tv. Nach Informationen des Fernsehsenders rutschte der Schriftsteller aus und stürzte in ein Becken mit Wasser des Toten Meeres , das einen extrem hohen Salzgehalt hat. Heym sei in Panik geraten und habe die Sole geschluckt. Weiters wird berichtet, dass ein Bademeister nicht anwesend gewesen sei.Immer politisch Position bezogen
In seinem literarischen Schaffen, aber auch in
der medialen Öffentlichkeit hat Heym politisch immer wieder Position
bezogen. Er verstand sich als Sozialist und gehörte zu DDR-Zeiten zu
den entschiedensten Kritikern des SED-Staates.
Zu Heyms bekanntesten Büchern gehören "Collin" (1979) und "Fünf
Tage im Juni" (1974) sowie vor allem der 1988 erschienene
autobiografische "Nachruf". Heym war der wohl bedeutendste
"oppositionelle Autor" in der früheren DDR. Obwohl er sich zu einem
"sozialistischen Deutschland" bekannte, wurde er zu einer Symbol- und
Leitfigur für den geistigen Widerstand im totalitären SED-Staat.
"Für unser Land"
Nach dem Zusammenbruch der DDR im Herbst 1989 hatte Heym zu einem
neuen Widerstand aufgerufen, diesmal unter dem Motto "Für unser Land"
gegen den, wie er meinte, "Ausverkauf an die Bundesrepublik". Er
griff auch aktiv in die Politik ein und errang bei der Bundestagswahl
1994 für die postkommunistische PDS ein Direktmandat im Bundestag,
dessen Legislaturperiode er als Alterspräsident eröffnete. Ein Jahr
später gab der damals 82-Jährige sein Mandat allerdings wieder
zurück.
Im Jahr 2000 veröffentlichte er auf Deutsch den Roman "Die
Architekten", den er bereits vor über 30 Jahren in englischer Sprache
geschrieben hatte. Für Heym sind in dem Roman auch die Gründe
nachzulesen, "warum die DDR so schändlich zu Grunde gegangen ist".
Das Buch geht der Frage nach, welche Auswirkungen der berühmte 20.
Parteitag der sowjetischen KPdSU 1956 mit der danach einsetzenden
Entstalinisierung auf die DDR hatte.
Flucht vor den Nazis
Der am 10. April 1913 in Chemnitz geborene Kaufmannssohn, der
eigentlich Helmut Flieg hieß, wechselte in der Schulzeit nach Berlin
und floh 1933 vor den Nazis zunächst in die Tschechoslowakei und
später in die USA, von wo er als amerikanischer Soldat nach
Deutschland zurückkehrte. 1951 übersiedelte er nach Ostberlin.
Heym beschäftigte sich mit zeitgeschichtlichen und historischen
Stoffen. Zu seinen Büchern gehören "Der König David Bericht", der
Probleme des Stalinismus parabelhaft spiegelt und in der DDR zunächst
nicht erscheinen durfte. "Fünf Tage im Juni" berichtet vom
Volksaufstand am 17. Juni 1953, das Buch "Collin" ist ein
Funktionärsgleichnis. Nach dem Ende der DDR hielt Heym in dem
dokumentarischen Roman "Radek" (1995) über den Mitarbeiter Lenins und
Trotzkis eine Rückschau auf "Geburtsfehler einer Revolution". 1979
wurde Heym aus dem DDR-Schriftstellerverband ausgeschlossen und sogar
strafrechtlich wegen angeblicher Devisenvergehen verurteilt, was erst
1992 offiziell vom Gericht zurückgenommen wurde.
Noch am Donnerstag Lesung gehalten
Heym hatte in seinen letzten Lebenstagen mit seiner Frau Urlaub am
Toten Meer gemacht, nachdem er Gast eines Kongresses über den Dichter
Heinrich Heine in Jerusalem gewesen war. Noch am vergangenen
Donnerstag habe er vor einer begeisterten Zuhörerschaft eine Lesung
gehalten, hieß es.
Mit Bestürzung reagierten Schriftstellerkollegen und Politiker auf
den Tod Heyms. Sein Kollege Erich Loest sagte, Heym sei zuletzt
"klein und krumm" gewesen, "aber geistig präsent und vorlaut wie
immer". Beide kannten sich fast ein halbes Jahrhundert. Manchmal
hätten sich ihre Wege auch zeitweise getrennt. Der Schriftsteller
Hermann Kant, unter dessen Präsidentschaft im
DDR-Schriftstellerverband Heym 1979 und andere Autoren ausgeschlossen
wurden, sagte, er habe "äußerste Hochachtung vor dem Schriftsteller
Stefan Heym". Politisch seien sie nicht immer einer Meinung gewesen,
aber sie beide hätte an die Zukunft einer besseren DDR geglaubt.
Der PDS-Spitzenpolitiker Gregor Gysi erklärte, er habe einen
Freund verloren. Bestechend sei Heyms Mut gewesen. "Er bot den Nazis
die Stirn, auch als amerikanischer Soldat." In der DDR habe er seine
Heimat gefunden, wo er sich aber nie vor Kritik an undemokratischen
Strukturen gescheut habe. (APA/dpa)(n-tv)