Klagenfurt/Wien - In Kärnten lodert ein neuer Ortstafelstreit. Juristisch sei zwar alles klar, sagt Verfassungsrechtler Heinz Mayer: Das Verfassungsgerichtshof-Erkenntnis (VfGH) müsse selbstverständlich akzeptiert werden, der VfGH sei die höchste Instanz. Kärntens Landeshauptmann Jörg Haider sieht das anders: Das VfGH-Erkenntnis, dass die Bestimmung, zweisprachige Ortstafeln erst ab einem Anteil von 25 Prozent der Einwohner an der jeweiligen Volksgruppe anzubringen, verfassungswidrig sei, will er nicht anerkennen und droht mit einer Volksbefragung.

Diese Reaktion widerspreche den Grundwerten der europäischen Integration, kritisierte daraufhin der Generalsekretär des europäischen Büros für Sprachminderheiten in Brüssel, Markus Warasin. Diese Kritik wies Haider barsch zurück: Das Büro werde mit österreichischem Geld finanziert und habe sich jeglicher politischer Stellungnahme zu enthalten.

SP fordert Runden Tisch

Von den anderen Parteien wurden Haiders Äußerungen angegriffen. Nationalratspräsident Heinz Fischer (SPÖ) sagte, der Rechtsstaat könne nicht an den Kärntner Landesgrenzen Halt machen, SPÖ-Chef Alfred Gusenbauer forderte, das Erkenntnis umzusetzen. Allerdings teilt der Kärntner SPÖ-Chef Peter Ambrozy "derzeit" nicht die Linie der Bundespartei. Er fordert einen runden Tisch für Volksgruppenfragen, wo Vertreter der Landesparteien, der Volksgruppe und der Heimatverbände ein gemeinsames Vorgehen festlegen sollen.

Der grüne Bundessprecher Alexander Van der Bellen forderte Bundeskanzler Wolfgang Schüssel auf, Haider zur Räson zu rufen und zur Einhaltung des Erkenntnisses aufzufordern. Der Minderheitensprecher der ÖVP, Christof Zernatto, meinte, das Thema eigne sich nicht für Hüftschnellschüsse. Das Erkenntnis des Höchstgerichts sei jetzt umzusetzen.

Nach Artikel 7 des Staatsvertrags sind in Kärnten und im Burgenland in Orten mit "gemischter Bevölkerung" Ortstafeln in Slowenisch beziehungsweise Kroatisch und Deutsch zu verfassen. Nach dem VfGH-Erkenntnis, dass ab einem Bevölkerungsanteil von zehn Prozent zweisprachige Tafeln stehen müssen, ist nun ein Jahr Zeit, die alte Regelung verfassungsrechtlich unangreifbar zu machen. (APA, red)

(DER STANDARD, Printausgabe, 17.12.2001)