Wien - Wovon jeder Lottospieler nur träumen kann - zu spielen und zu gewinnen ohne vorherigen Einsatz - ist für die Wiener Philharmoniker wohl nicht viel mehr als Business as usual. Bei der Wahl ihres samstägigen Gastdirigenten haben sie einen Joker gezogen: den in allen Tonlagen und durch alle Stile trällernden Bobby McFerrin. Gemäß seines hinlänglich bekannten Lebensrezeptes Don't worry gab er sich mit so kleinlichen Kinkerlitzchen, wie Einsätze es sind, erst gar nicht ab und hatte trotzdem allen Grund, happy zu sein. Schließlich hat er ohne Einsatz gewonnen. Womit jetzt nicht unfeinerweise die Gage gemeint ist, sondern die Herzen des Publikums. Und diesem gegenüber hat er auch mit Einsätzen nicht gegeizt. Denn plötzlich hub er an, das C-Dur-Präludium aus Bachs Wohltemperiertem Klavier zu singen - gestochen scharf, als hätte er ein Keyboard im Kehlkopf, und nach einer ebenso herzlichen wie herrischen Geste sangen alle, die da im großen Konzerthaussaal standen, die gar nicht so einfache Ave Maria -Melodie, die Charles Gounod über dieses Klavierstück legte. Während dieser drei Minuten erklang möglicherweise zum einzigen Mal in dieser an Schönheiten überreichen Konzertsaison das, was man eigentlich unter Musik zu verstehen hätte: spontane, erlebte Mitteilung des Unsagbaren. Dieser Bach-Gounod-Dialog zwischen Bobby McFerrin und dem Publikum war vielleicht auch schon das Innigste von allem, was an anbefohlener Kunstweihnachtlichkeit noch zu erwarten ist. Diese drei Minuten gibt man auch noch gerne für den Rest des Programms: Sergej Prokofjews Synmphonie classique geriet flach. Recht lustig, doch nicht sonderlich erheblich Antonio Vivaldis G-moll-Konzert für zwei Violoncelli, bei dem McFerrin neben Tamás Vargas den zweiten Solopart sang. Am stiefmütterlichsten behandelt schien Maurice Ravels Le Tombeau de Couperin. Dafür war das abschließend hingestrampfte Capriccio espagnole von Nikolai Rimski-Korsakow wohl auch kaum eine Entschädigung. (vuji) (DER STANDARD, printausgabe vom 17.12.2001)