Die Sozialisten (PS), die auf Landesebene seit 1995 am Ruder sind und bei allen Urnengängen seit 1991 vorn lagen, hatten zwar mit Verlusten bei den Kommunalwahlen am Sonntag gerechnet. Der massive Rechtsrutsch kommt aber einem politischen Erdbeben gleich. Viele wichtige Städte, einschließlich der PS-Hochburgen Lissabon und Porto, fielen an die konservativen oppositionellen Sozialdemokraten (PSD). Von den insgesamt 308 Gemeinden gingen 130 an die PSD, 98 an die PS und 27 an die Kommunisten (PCP). Die PCP und die rechte PP, die praktisch aus der Lokalpolitik verschwand, gehören wegen einer allgemeinen Polarisierungstendenz zu den Verlierern. Die Sozialisten büßten ihren traditionellen Rückhalt bei den jungen, gebildeten Städtern ein. Die Wahlbeteiligung war mit annähernd 64 Prozent über Erwarten hoch.

Guterres sagte, er übernehme die ganze Verantwortung für die Niederlage und unterbreite Präsident Jorge Sampaio sein Rücktrittsgesuch, "um ein politisches Schlammassel zu verhindern". Eine Vertrauensabstimmung im Parlament schloss Sampaio aus, weil sie seiner Meinung nach die nötige Wiederherstellung des Vertrauens zwischen Regierenden und Regierten nicht fördern würde. Es wurde erwartet, dass Präsident Sampaio vorgezogene Parlamentswahlen für Februar ansetzt.

Lage unhaltbar

Guterres hat zwar im Parlament nach wie vor die 115 PS-Abgeordneten (von insgesamt 230) hinter sich. Aber politisch ist seine Lage unhaltbar geworden. Guterres, ein marktfreundlicher Sozialist, hat im vergangenen Jahr schwere Beliebtheitseinbußen erlitten, vor dem Hintergrund eines gebremsten Wachstums (das in den 90er-Jahren noch über dem EU-Durchschnitt lag), nur schleppend vorankommender Reformen in Schlüsselbereichen wie Bildung und Staatsfinanzen und dem Vorwurf des Mangels an politischer Führung.

Guterres' Rücktritt als Premier könnte auch zu einem Rückzug als Parteichef führen. Innerhalb der PS sticht aber niemand als logischer Nachfolger hervor. Trotz der schlechten Stimmung im Land gegen die Sozialisten waren die Gewinne der bürgerlichen Sozialdemokraten viel höher als erwartet. PSD-Chef José Manuel Durão Barroso (einst Außenminister unter Premier Aníbal Cavaco Silva), sagte nach der Wahl: "Unser Land hat die Wende gewählt. Das ist der Beginn einer neuen politischen Ära." Durao Barroso hatte die Bürger zur Protestwahl gegen die sozialistische Minderheitsregierung aufgerufen.

In Lissabon gewann PSD-Kandidat Pedro Santana Lopes, dem kaum jemand eine reelle Chance eingeräumt hatte, mit einigen Hundert Stimmen Vorsprung. Sein Sieg gilt als historisch, stellt doch die PSD erstmals seit dem Sturz der Diktatur 1974 den Bürgermeister der Hauptstadt. Santana Lopes, der besonders bei den Frauen beliebt ist, entthronte den amtierenden Stadtchef João Soares, Sohn des früheren Präsidenten und Premiers Mário Soares. Joao Soares hatte Lissabon seit zwölf Jahren an der Spitze einer Koalition aus Sozialisten und Kommunisten regiert.

(DER STANDARD, Printausgabe, 18.12.2001)