Dem portugiesischen Dichter Fernando Pessoa (1888-1935) war das eigene Ich zu eng. Es wandelte am Bruchpunkt der Moderne als erfolgloses Handelskorrespondenten-Ich durch Lissabon und fand im angebrochenen Zeitalter der Reproduzierbarkeit, noch ohne Genmanipulation, den Ausweg: Pessoa erschuf sich in Heteronymen eine bunte Ich-Familie - nämlich den Arzt Ricardo Reis, den Hirten Alberto Caeiro, den Schiffsingenieur Álvaro de Campos und Bernardo Soares. Letzterer etwa war das Pessoa-Ich minus Vernunft und Gefühlserregbarkeit.

Dieses zersplitterte Leben fand jetzt im Wiener Theatermacher Robert Quitta einen späten Wohltäter. Der Spezialist für theatralische Verarbeitung biografischen Rohmaterials rollte es für seine Fangemeinde (die hat er!) wie ein Brettspiel aus: "Niemand - Ein Heteronym für Fernando Pessoa". Schicht für Schicht lässt er von Michael Reiter als Pessoa - in jener Art, in der Buchhalter ihren Visionen tagträumend nachhängen - den Ich-Aktenberg abtragen.

Regisseur Quitta scheut dafür sogar den Tiertransport nicht. Ein echtes und deshalb sogleich auf zweierlei Arten die Notdurft verrichtendes Schaf wird auf die mit gelber Plastikfolie ausgelegte Spielfläche geführt. Es, das Schaf, ist Attribut des Hirten-Pessoa. Dieser behauptet "Lieben heißt denken" und sagt dies ausgerechnet dem Schaf.

Die Subjektstudie kulminiert in einem von Klaus Beyer akzelerierend vorgenommenen Kostümwechsel-Marathon: die heitere Station einer passablen Ich-Begehung. Das soll auch heißen: So übersichtlich "begeht" das Ich sich selbst selten. (afze)
dietheater Künstlerhaus,
1., Karlsplatz 5, Karten: (01)
587 05 04.
20.00

Ladys warten auf ihr Date

Magdalena Dimitrova hat Samuel Becketts "Warten auf Godot" das Warten ein wenig abgewöhnt. Zwei motivierte Frauen (Nina Gabriel und Ingeborg Schwab) sind es, die in Dimitrovas Diplominszenierung am Reinhardt-Seminar (Regieklasse Anna-Maria Krassnigg) die Ankunft Godots erhoffen.

Dimitrova betont in aller gebotenen Vorsicht Leichtigkeit und Komik des (textlich erweiterten) Stücks. Reste der Absurdität verarbeitet sie punktuell in verrückten Körperstellungen, gewinnt dem Fortgang aber eine "zivile" Wartesituation ab: Zwei derangierte Ladys warten auf ein schlecht abgemachtes Date. Überraschend erklärt die Regisseurin den meist beiläufig interpretierten Besuch der Vagabunden Lucky und Pozzo (Patrick Oliver Beck und Murali Perumal) zum komödiantischen Kernstück. Der Kampf gegen die Ausgesetztheit wird spielerisch.

Damit zieht Dimitrova das Stück näher an den Boden der kurz angehobenen "Käseglocke"-Welt. Ihre Figuren haben die postdepressive Phase schon erreicht, ohne die üblichen Trash-Merkmale.
Neue Studiobühne des
Max-Reinhardt-Seminars,
14., Penzingerstr. 9, Karten:
(01) 711 55-2801.
19.30

(afze - DER STANDARD, Print, 18.12.2001)