Stuttgart/Wien - Man könnte sagen, Martha Mödl war die nordische Callas. Wilhelm Furtwängler nannte ihre Stimme einen "Zauberkasten". Denn sie war so wandlungsfähig wie jene ihrer griechischen Kollegin. Sie klang von Partie zu Partie anders.Daher ging der fulminante Erfolg des Neustarts der Bayreuther Festspiele im Jahr 1951 zu einem guten Teil auch auf Martha Mödls Konto. Als Kundry im Parsifal, dritte Norn und als Gutrune der Götterdämmerung präsentierte die gebürtige Nürnbergerin (bis zu ihrem 30. Lebensjahr Versandhaussekretärin) gleich zum Einstand auf dem Grünen Hügel die ganze Amplitude ihrer unter der Führung von Gustav Gründgens in Düsseldorf entwickelten Gestaltungskraft. Von da an galt sie für eineinhalb Jahrzehnte - vor allem durch die unpathetische Gestaltung der Isolde - als ungekrönte Königin im Wagner-Reich. Als einer der Höhepunkte ihrer Karriere gilt zweifellos ihre geradezu explosive Leonore, mit der sie zur Wiedereröffnung der Staatsoper 1955 unter Karl Böhms Leitung nicht nur das Publikum, sondern auch die als Ehrengast in der Loge des Bundespräsidenten thronende Lotte Lehmann begeisterte. Ihre elementare gestische Intensität machte sie für das zeitgenössische Musiktheater zur idealen Interpretin, als die sie anlässlich der Uraufführung von Hans Werner Henzes Elegie für junge Liebende Furore machte - und auch das Wiener Publikum in Wolfgang Fortners Lorca-Vertonung Bluthochzeit begeisterte. Noch Ende Februar dieses Jahres stand Martha Mödl in der selben Partie auf der Bühne, in der sie im Jahr 1992 in Wien ihr 50-jähriges Staatsopernjubiläum feierte: Als Gräfin in Tschaikowskys Pique Dame. In der Nacht auf Montag starb sie 89-jährig in Stuttgart. (vuji/Der Standard, Printausgabe, 18.12.2001)