Wien - Die Werbeverbote kommen zuweilen aus Ecken, wo man sie nicht vermutet. Zum Beispiel aus dem neuen Gewährleistungsrecht im ABGB. Hier wird zwar nur EU-Recht im Dienste der Konsumenten umgesetzt. Aber die Folge könnte sein, dass Käufer künftig unter Hinweis auf die Angaben auf Werbezetteln bei Gericht um technische Nachbesserungen bei ihren neuen PCs und Digitalkameras kämpfen werden.Woanders sind die Beschränkungen für Werber offener. Im ORF dürfen schon jetzt keine Zigaretten und kein Tequila beworben werden. Mit 2002 treten aber zahlreiche neue Restriktionen in Kraft. Allein im TV-Sektor reglementieren dann vier dicht beschriebene Seiten des Bundesgesetzblattes die Werbung. Der Fernsehtag hat künftig laut ORF-Gesetz (ORFG) nur mehr 14 statt 24 Stunden (als Bemessungsgrundlage für die zeitliche Beschränkung), und das Zeitungstitelblatt von morgen darf dort gar nicht mehr vorkommen. Man darf gespannt sein, ob es gelingt, mit einer Zwei-Minuten-Restriktion für Printmedienwerbung tatsächlich, so wie es in den Gesetzesmaterialien anklingt, mehr Meinungsvielfalt und "Pluralität" zu ermöglichen. Denn weniger Printmedienwerbung allein bedeutet noch nicht ein Mehr an Informationsfreiheit. Nach Ansicht von Walter Berka, Medienrechtsspezialist aus Salzburg, handelt es sich beim Printmedienverbot des ORFG um eine unverhältnismäßige Einschränkung der Informationsfreiheit des Artikels 10 der Europäischen Menschenrechtskonvention. Anders sieht dies naturgemäß der Regierungsgutachter, der die bisherige Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes - VfGH - (zum Beispiel gleicher Zugang zu Gewinnspielen im TV) und des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte (Zugang zur TV-Werbung für Tierschützer in der Schweiz; Rundfunkmonopol Österreich) und ausländische Beispiele (zum Beispiel Totalverbot von Printmedienfernsehwerbung in Frankreich) analysiert. Er denkt, dass das Verbot beim VfGH halten wird. Anwälte nun freier Die Aufhebung von Werbeverboten durch das Höchstgericht hat allerdings schon Tradition. So fielen zum Beispiel Werbeverbote für Kontaktlinsenoptiker in der Gewerbeordnung durch den Spruch der Höchstrichter. Was zum Beispiel die Rechtsanwälte betrifft, lockerte der VfGH erst unlängst die Standesrichtlinien. Inserate und Rundschreiben durften bis dahin nur aus dort aufgezählten Anlässen - zum Beispiel Kanzleieröffnungen, Adressänderungen - erfolgen. Der VfGH ebnete mit Erkenntnis vom 20. 6. 2001 (V 30-31/01) durch Aufhebung des Wortes "ausschließlich" den Weg zu mehr Werbefreiheit. Anwälte können nun auch Arbeitsschwerpunkte, Vernetzungen oder ähnliches bekannt geben. Es gibt im österreichischen Recht aber viel verstecktere und subtilere Werbeverbote und -einschränkungen. So kann Restaurant- oder Clubbingwerbung an der Auto-windschutzscheibe zu ei- ner Verwaltungsstrafe führen, weil es sich um eine Nutzung einer Verkehrsfläche zu verkehrsfremden Zwecken handelt. Eine Reisebürowerbung mit "handgeschriebenen" Postkarten verstößt, was viele Werber nicht wissen, ebenso gegen das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb wie Zahnarztassistentinnen in der Zahnpasta-TV-Werbung. Eine Durchforstung des österreichischen und des EURechts ergibt schon jetzt über hundert Werbebeschränkungen bis hin zu absoluten Verboten. Das Heimtückische an ihnen ist: Nur eine kleine Gruppe von Beschränkungen lässt sich an einem "Produkt" festmachen. Und nur die allerwenigsten von ihnen ergeben sich klar aus einem Gesetz. Vielmehr gibt es ei- nen wahren Dschungel an EU-Richtlinien, Verfassungs- und Verwaltungsgerichtsentscheidungen und Wettbewerbsjudikatur. Manche Verbote betreffen die Form der Marktkommunikation (Kabel-TV, E-Mail, Faxwerbung), manche setzen an der Zielgruppe an (Kinder), andere verbieten konkretes Verhalten (zum Beispiel einen "gespielten" Scheidungsprozess). Die Fachgruppe für Werbung und Marktkommunikation in der Wirtschaftskammer Wien hat vor allem den vesteckten Verboten den Kampf angesagt. Sie baut einen Internetservice auf, um damit neue Beschränkungen schon im Vorfeld der Rechtsetzung zu kommunizieren. (Ao. Univ.-Prof. Dr. Gerhard Strejcek, Der Standard, Printausgabe, 18.12.01)