Mannheim - Im FlowTex-Prozess um den größten Wirtschaftskrimi der deutschen Nachkriegsgeschichte hat das Mannheimer Landgericht die vier angeklagten Milliardenbetrüger zu langjährigen Haftstrafen verurteilt. Die höchste Strafe bekam mit zwölf Jahren der ehemalige Chef der Ettlinger FlowTex-Gruppe, Manfred Schmider. Die Wirtschaftsstrafkammer sprach die Angeklagten am Dienstag schuldig, 3000 nicht vorhandene Bohrsysteme verkauft und eine faule Anleihe geplant zu haben. Der strafrechtliche Schaden belief sich laut Kammer auf über vier Mrd. DM (2,05 Mrd. Euro/28,1 Mrd. S). Der Vorsitzende Richter Michael Meyer sprach von einem "nie da gewesenen Ausmaß des Betrugs". Schmider galt bis zu seiner Verhaftung im Februar 2000 als beispielhafter Vorzeigeunternehmer. In Wahrheit hatte der 52-Jährige aber mit seinen drei Mitangeklagten eine kriminelle Gruppe gebildet, die in dem gigantischen Fall fast zehn Jahre lang Leasingfirmen und Banken prellte und belog - darunter renommierte internationale Größen wie Dresdner Bank, Commerzbank und die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft KPMG. Villen , Luxusyachten und eine Privatjet Schmider zweigte laut Gericht mindestens 325 Mill. DM für sich ab - er kaufte Villen rund um den Globus, Luxusyachten, eine Privatjet und eine Gemäldesammlung. Eine Mitschuld treffe Banken und Wirtschaftsprüfer nicht, sagte Meyer. Der derzeitige Restschaden nach der Beschlagnahmung aller greifbaren Vermögenswerte beläuft sich immer noch auf 1,6 bis 1,8 Mrd. DM. Schmiders Ex-Kompagnon Klaus Kleiser als ehemaliger zweiter Mann bei FlowTex wurde zu neuneinhalb Jahren Haft verurteilt. Die Geschäftspartnerin Angelika Neumann bekam siebeneinhalb Jahre, Ex-Finanzchef Karl Schmitz sechseinhalb Jahre. Das Gericht lehnte die Aufhebung der Haftbefehle ab - unter anderem, weil immer noch "Beträge in erheblicher Millionenhöhe in der Gegend umherschwirren", sagte Meyer. Zwölf Jahre Gefängnis Mit zwölf Jahren Gefängnis ist Schmider der am härtesten bestrafte Wirtschaftskriminelle seit langem. Der Manager nahm das Urteil gefasst auf. Schmiders Einzelstrafen für die mehr als 240 Betrugsfälle ergäben zusammengerechnet sogar 762 Jahre Gefängnis, wie Richter Meyer vorrechnete. Die Anklage hatte zwölf Jahre und fünf Monate gefordert. Vor dem harten Urteil war immer wieder über Mauscheleien der Justiz spekuliert worden. Richter Meyer widersprach dem energisch: "Es ist absolut unrichtig, dass zu irgendeinem Zeitpunkt von oben, insbesondere vom (baden-württembergischen) Justizministerium, Einfluss genommen wurde." Anlass der Spekulationen sind unter anderem die Ermittlungsverfahren gegen ein halbes Dutzend Karlsruher Finanzbeamte. Sie sollen schon vor fünf Jahren von dem Betrug gewusst haben. Simples Geschäftsmodell Das Geschäftsmodell war simpel: Die zur FlowTex-Gruppe gehörende Firma KSK verkaufte die virtuellen Bohrgeräte an die Leasingunternehmen. Die Firma FlowTex Technologie selbst trat als Leasingnehmer auf, der die nicht existenten Bohrgeräte angeblich sofort übernahm. Dass KSK und FlowTex zusammengehörten, wussten die Opfer nicht. Doch mit steigenden Einnahmen wurden auch die fälligen Leasingraten in dem Schneeballsystem immer höher. Und langfristig waren die Ausgaben höher als die Einnahmen, weil die Leasingfirmen naturgemäß nicht billiger verleasten, als sie eingekauft hatten. "Wer einmal den Tiger reitet, kann nicht mehr abspringen", sagte Meyer. Um den Kapitalbedarf von zuletzt monatlich mehr als 60 Mill. DM zu decken, wollten die FlowTex-Bosse mit einer faulen Anleihe 300 Mill. Euro ergaunern. Das scheiterte in letzter Sekunde im Februar 2000 an Schmiders und Kleisers Festnahme. Das Urteil bedeutet noch nicht das Ende des FlowTex-Skandals. Die Mannheimer Justiz wird noch auf Jahre zu tun haben. "Wir haben mehr als 40 Ermittlungsverfahren", sagte Staatsanwalt Reinhard Hofmann. "Ich glaube, so etwas hat noch nie jemand in diesem Umfang erlebt."(APA/dpa)