Wien - "Ich will keinen modernen Einheitssupermarkt", schimpft ein Kunde. "Ich kann da beim Gemüsestandl oft nur einen oder zwei Erdäpfel kaufen, beim Billa muss ich ein ganzes Kilo nehmen - das verschimmelt nur!"

Vor allem ältere Anrainer wollen sie nicht missen, ihre mittlerweile beinahe leere Markthalle in Wien-Alsergrund. Neun Standler halten noch die Stellung, trotz schwindender Laufkundschaft. Hunderte Unterschriften haben erboste Stammkunden gegen die Schließung ihrer "Halle" gesammelt. Doch bis März 2002 will die Stadt Wien das Objekt verkaufen.

Die Raiffeisen Liegenschaftsverwaltungs GesmbH (RLV) hat ein Vorkaufsrecht auf die Markthalle erworben und ein fertiges Revitalisierungskonzept in der Schublade. Vorgesehen sind: ein Gourmet-Lebensmittelmarkt im Erdgeschoß, im Keller eine Erlebnisbrauerei, in der Kuppel ein Café mit Terrasse. Interessenten sind laut Auskunft des RLV-Geschäftsführers Rudolf Mayr Billa, Zielpunkt, Adeg und Spar. Für den Bierkeller ist die Brau Union im Gespräch, mit dem Café liebäugelt die expansionsfreudige Kaffeehauskette Starbucks.

Für die Marktstandbetreiber wird es nun eng. Die Firma RLV hat bis März Zeit, den Kauf der Halle zu erwirken. Bedingung: Sie muss bestandsfrei sein, das heißt, die letzten Mieter müssen möglichst reibungsfrei abgelöst werden, so die Forderung der Stadt Wien. Die RLV hat den Standlern nun ein Entschädigungsangebot beschert, "das weit über dem offiziellen Schätzwert des Marktamtes liegt", sagt Mayr und meint: "Grundsätzlich wollen eh alle raus, weil das Geschäft so schlecht geht." "I geh' da net freiwillig ausse, schon gar net mit so wenig Ablöse", kontert ein Gemüsehändler, dem drei Jahre bis zur Pension fehlen. "Ich hab' viel reingesteckt in den Stand. Um das, was mir geboten wird, kann i ma keine neue Existenz aufbauen."

Auch die RLV hat bereits viel Geld investiert. "Ich will nicht mehr pokern", betont Mayr. "Wenn ich bis Jänner die unterschriebenen Vereinbarungen von den Standlern nicht habe, dann zieh' ich mich von dem Projekt zurück, und es bleibt alles, wie es ist: eine leere Halle." (Astrid Kasparek, der Standard, Printausgabe, 19.12.2001)