Die Europäische Kommission wird vermutlich am Donnerstag ein Vertragsverletzungsverfahren gegen die deutsche Bundesregierung einleiten, hieß es am Mittwoch aus Kreisen der Behörde. Der für Telekommunikation zuständige Kommissar Erkki Liikanen wirft Berlin vor, im deutschen Ortsnetz hätten Konkurrenten gegen die übermächtige Telekom immer noch keine Chance. Damit verstoße die Regierung gegen die EU-Verordnung zur Öffnung der so genannten "letzten Meile", die am 1. Jänner des laufenden Jahres in Kraft getreten war.Leitungen auch anderen zur Verfügung stellen Die Verordnung, Ende 2000 im Rekordtempo vom Ministerrat verabschiedet, soll sicherstellen, dass alle Anbieter mit Marktmacht ihre Kupferleitungen, die die Geräte der Kunden mit den Hauptverteilern verbinden, auch anderen Anbietern zur Verfügung stellen. Ein Sprecher des Wirtschaftsministeriums zeigte sich angesichts des drohenden Mahnschreibens aus Brüssel am Berichtstag gelassen. Die Regierung stehe weiter zu ihrem Angebot, die EU-Verordnung bis Ende 2002 umzusetzen. Dies solle im Rahmen der im kommenden Jahr anstehenden Modernisierung des Telekom-Sektors geschehen. Darüber sei die Kommission vor wenigen Wochen schriftlich informiert worden. Verfahren gegen mangelhafte Entbündelung Ende November hatte Liikanen Verfahren gegen einige EU-Staaten angekündigt, die nach seiner Auffassung ihren Telekom-Markt bisher nur unzureichend liberalisiert haben. Seine Kritik richtet sich vor allem gegen mangelhafte Entbündelung des Ortsnetzzugangs. Laut Liikanen haben sich in der Angelegenheit bereits mehrere Neueinsteiger am Markt beschwert. Im Jahresbericht der Kommission über die Liberalisierung des Telekom-Sektors sind Hinweise darauf enthalten, dass es sich bei den kritisierten Staaten neben Deutschland vermutlich um Portugal, Griechenland, Italien, Frankreich und Luxemburg handelt. Staaten müssen besser überwachen Wettbewerbsbedingungen für die Teilnehmeranschlüsse zu schaffen ist eine Vorgabe der Staats- und Regierungschefs vom März 2000. Die Lage sei insgesamt aber noch enttäuschend, heißt es im Kommissionsbericht von Ende November. Trotz der entsprechenden Verordnung seien erst rund 640.000 Anschlussleitungen tatsächlich entbündelt worden. Auf Grund der fehlenden Konkurrenz entwickelten die etablierten Netzbetreiber weiter ihre eigenen Breitbanddienste. Die nationalen Regulierungsbehörden müssten die Situation daher sorgfältiger überwachen und verbindliche Fristen mit glaubwürdigen Strafen festsetzen.(APA/vwd)