Bis zuletzt schien es unsicher, welchen konkreten Vorschlag die zuständige Verkehrskommissarin Loyola de Palacio für eine interimistische Verlängerung des Transitvertrages über das Jahr 2003 hinaus vorlegen wird. Eines stand aber bereits am Vortag der Entscheidung in Brüssel fest: Für einen derartigen Vorausjubel, wie ihn heimische Politiker über die Agenturen schickten, besteht eher geringer Anlass.

Von einem "außerordentlichen Verhandlungserfolg", wie ihn VP-Verkehrssprecher Helmut Kukacka konstatierte, kann vorläufig keine Rede sein. Wenn sich der oppositionelle Europasprecher Caspar Einem (SP) im Chor mit der EU-Abgeordneten Daniela Raschhofer (FP) "erfreut" zeigt über die Entwicklungen, dann kann man zwar deren Erleichterung erkennen, dass beim Dauerstreitthema Transit endlich etwas weitergeht, viel mehr jedoch ist es nicht: ein erster Schritt, der mit mindestens einem Jahr Verspätung kommt.

Von einer echten Lösung des Problems bleibt Österreich noch immer weit entfernt. Allein schon der Ablauf und die Einordnung des Kommissionsvorschlages in den komplizierten EU-Entscheidungsprozess bei Verkehrsfragen spricht diesbezüglich eine klare Sprache.

Was die EU-Zentralbehörde dem Ministerrat und dem EU-Parlament vorlegt, ist nicht mehr als ein erstes Konzept. Die EU-Parlamentarier in Straßburg haben dabei ein echtes Mitentscheidungsrecht. In den seltensten Fällen hat es daher bei Verkehrsfragen rasche, glatte Entscheidungen gegeben. Auf allen Ebenen kommt es normalerweise zu Veränderungs- oder Ergänzungswünschen. Selten bleibt am Ende das übrig, was die EU-Kommission am Anfang vorgelegt hat.

Das wird - so hat es nach ersten Reaktionen zumindest den Anschein - auch bei einer Transit-Übergangsregelung für Österreich nicht anders sein. Viele Länder haben bei dieser Materie enorm wichtige Eigeninteressen: seien es die Frächternationen wie die Niederlande, Italien oder Deutschland, seien es die EU-Kandidatenländer, die im Vorgriff auf ihre baldige Mitgliedschaft schon heute ihren Einfluss auf EU-Staaten geltend machen, sei es die Schweiz, die mit der Union eine eigene Transitvereinbarung abgeschlossen hat.

Sie alle werden versuchen, Geschenke an Österreich möglichst zu hintertreiben. Die Stellungnahme des bayrischen EU-Abgeordneten und CSU-Fraktionschefs Markus Ferber kann als erstes, sehr ernst zu nehmendes Warnsignal verstanden werden. Ferber bezeichnete es als "vollkommen inakzeptabel", dass eine Fortsetzung der Beschränkung von Lkw-Fahrten durch Österreich über das Ablaufdatum des Transitvertrages vereinbart werden könnte.

Das lenkt den Blick auf die inhaltlichen Hürden, die mit dem Vorschlag der EU-Kommission noch einhergehen. De Palacio ließ bereits wissen, dass ihr Vorschlag zur Übergangsregelung keinesfalls eine ihrer früheren Initiativen zur Abschaffung der Mengenbeschränkung (die berühmte 108-Prozent-Regel) aufheben werde. Im Klartext: Die Kommission hat schon vor einem Jahr beantragt, dass die Obergrenze von 1,61 Millionen Lkw-Transitfahrten (sofort) fallen müsse. Das EU-Parlament hat dem schon zugestimmt. Der Verkehrsministerrat wird sich damit demnächst beschäftigen, und es zeichnet sich eine große Mehrheit ab, die das ebenfalls befürwortet. Somit stünde ein Kernelement des Transitvertrages zur Disposition, das in der Praxis Probleme machte: Bei der Fahrtenzahl kam es zu Engpässen. Die Kommission ignorierte sie. Österreich reichte Klage ein. Bei den Ökopunkten hingegen, die Brüssel gerne verlängern will, gab es (wegen der Abnahme schmutziger Lkw) schon bisher kaum Schwierigkeiten. Sie standen in ausreichender Menge zur Verfügung.

Fazit: Die eigentliche Bewährungsprobe für Verkehrsministerin Monika Forstinger hat noch gar nicht begonnen. Bisher ist es ihr nicht gelungen, die vierzehn EU-Partner zu überzeugen. Auf die kommt es aber an.

(DER STANDARD, Printausgabe, 20.12.2001)