von Doris Krumpl
Wien - Wenn er heute noch lebte, wäre er eine künstlerische Stimme der Globalisierungsgegner, der persönliche Illustrator von Naomi Klein und Protagonisten eines gewissen Antiamerikanismus - aber nicht nur. Öyvind Fahlströhm ist ein mit einer internationalen Biografie ausgestattetes Kind der politisch bewegten 60er-Jahre. Viele Aspekte seines Werkes, das derzeit in der Bawag Foundation dankenswert gut destilliert zur Ansicht vorliegt, zeugen auch heute noch von Aktualität. Statt der Firmennamen Texaco oder Esso ("pays TV-Time for conservative presidential candidate - 1971 elections") könnten heute etwa Nike, McDonald's oder Microsoft stehen.

Auf Landkarten, einer Art politischen Kartographie, stellt der aus Brasilien gebürtige Schwede, der in New York wirklich groß geworden ist, in simplen Statistikzahlen und Symbolen die US-(Wirtschafts-)Politik in Bezug zum Rest der Welt: Agitprop meets Konzeptkunst in der Low-Art-Ästhetik der Comics. Fahlström entwickelt allerdings einen Bildwitz, der vor zu großen, bierernsten Ereiferungen schützt, z. B. wenn drei beflaggte Gehirne der Krupps vor einem Hirn-Panzer defilieren.

Seine Piktogramme, etwa das ESSO-Logo in LSD umzufunktionieren, lassen die T-Shirts der Generation Techno (etwa statt VISA das Wort DIVA als Logo) oder Neo-Logomanen und Codeknacker wie den deutschen Jungspund Daniel Pflumm alt aussehen.

Nicht umsonst war der Gesamtkunstwerker Fahlström, Verfasser des Manifestes der konkreten Poesie (1953) und auch von Radio-Poesie, einer der Impulsgeber der stark auf Positionen der 60er und 70er rekurrierenden documenta X gewesen. Mike Kelley nennt ihn einen "Mythoswissenschafter". In Dollars we trust heißt es auf seinem Schein, der aus dem Mund des damaligen Präsidenten Richard Nixon eine leere, dollarförmige Sprechblase entsteigen lässt.

Dass Amerikaner das Recht haben, "happy" zu sein, ist einzigartig in den Staatsverfassungen der Welt. Ein Video, übrigens von Alfons Schilling 1966 in New York gedreht, konterkariert die Plattheit dieses Begriffes: Fahlström und einige Freunde demonstrieren in den Straßen von New York, angetan mit Fototafeln von Bob Hope und einer mit dem Antlitz Maos (Mao-Hope March). Ein Radioreporter befragt Passanten, die "this guy" Mao nicht erkennen: "Are you happy?", was von allen Befragten bejaht wird, wobei die Begründungen erschreckend bis komisch ausfallen.

Rückblickend können Fahlströhms Analysen der Kunstmarkt-Mechanismen zeitweilig als recht naiv angesehen werden - etwa wenn er annimmt, das Kunstkäufe mit gestohlenem Geld getätigt würden, "Mehrwert, der den Arbeitern fehlt" - doch Denkanregungen sind sie allemal. Immer aktuell, auch wenn man Kapitalismus durch anderes ersetzt, ist Fahlströms "Frage: Ist es nicht ,radikaler Chic', wenn man versucht, den Kapitalismus kritisierende Bilder an reiche Leute und Institutionen in den USA zu verkaufen?"

Fahlström träumte folgerichtig von der massenhaften, günstigen Verbreitung seiner Arbeiten, Massen-Multiples wie LPs etwa. Sein früher Krebstod 1976 war unter anderm daran Schuld, dass er dies nicht in größerer Form umsetzen sollte. (DER STANDARD, Print-Ausgabe, 20.12. 2001)