Europa
Sechs Jahre österreichische Außenpolitik: EU, OSZE und viel Balkan
Generalsekretär Albert Rohan zieht Bilanz
Wien - "Die EU-Präsidentschaft 1998 war die größte
Herausforderung für den österreichischen Außendienst in diesem
Jahrzehnt." Dazu kam in seiner Amtszeit "die völlig neuartige
Herausforderung der EU-Sanktionen". Und schließlich bedeutete die
OSZE-Präsidentschaft Österreichs im Jahr 2000 einen enormen
Arbeitsanfall und für ihn persönlich die Funktion des
Balkan-Beauftragten. Generalsekretär Albert Rohan zieht im Gespräch
mit der APA Bilanz über seine sechs Jahre als höchster Beamter des
Außenministeriums - "eine schöne, sehr befriedigende Zeit", resümiert
er.Dienstantritt mit EU-Beitritt Österreichs
Alle diese Aufgaben habe die Belegschaft des Außenamtes
hervorragend gemeistert, so der Spitzendiplomat rückblickend, der
seinen Posten mit dem einem Vorstandsvorsitzenden verglich. Seine
Übernahme des Generalsekretariats (mit Ende 1995) sei praktisch mit
dem EU-Beitritt Österreichs zusammengefallen, der die Außenpolitik
Österreichs völlig veränderte. "Der EU-Vorsitz ging gut über die
Bühne. Er half uns, Österreich in der EU zu etablieren." In der
Sanktionszeit hätten sich die Diplomaten, in unermüdlicher
Öffentlichkeitsarbeit und unter enormer Belastung, "sehr bewährt".
Im Verhältnis zu den EU-Partnern sei "Normalität eingekehrt",
sagte Rohan. "Hie und da sind noch Reste von Ressentiments zu
spüren." Für Österreich war diese schwierige Zeit lehrreich: "Wir
haben dabei auch gelernt, dass wir noch energischer auf unsere
Interessen Rücksicht nehmen." Die Wahlausgänge und neuen Regierungen
in Italien und Dänemark zeigten überdies, dass auch die EU-Partner
"eingesehen haben, dass das ein Fehler war, auch wenn sie es nicht
offen zugeben". Niemand unter den 15 wollte das Ganze noch einmal.
Bereitschaft zum Informationsaustausch
Der 11. September habe "viel bewegt" und auch Positives bewirkt,
wie die Aufwertung der multilateralen Diplomatie und die Verbesserung
des Verhältnisses USA-Russland, aber auch "die Kooperation in und mit
der NATO", fasste Rohan die letzte wichtige Etappe seiner Amtsperiode
zusammen. Afghanistan sei "eine Facette des Kampfes gegen den
Terrorismus", der terroristische Netzwerke ebenso umfasse wie
Finanzgeflechte. Rohans Botschaft für Österreich: "Das kleinste Land
hat die gleiche Verantwortung wie das größte." Wichtig seien dabei
eine verbesserte Kooperation der Sicherheitsdienste und größere
Bereitschaft zum Informationsaustausch.
Der Kampf gegen den Terror mache es aber auch erforderlich, "die
großen Fragen anzupacken", betonte Rohan. Die Armut sei "eine Wurzel
für die Rezeptivität für den Terror, und der Nahost-Konflikt müsse
einer Lösung zugeführt werden. Zugleich gebe es eine "Gratwanderung"
bei der Terrorbekämpfung vis a vis den Menschenrechten. "Zum Schutz
der Gesellschaft müssen gewisse Einschränkungen der persönlichen
Freiheit in Kauf genommen werden." Im Übrigen wäre es für Österreich
und den Balkan von Interesse, internationale Sicherheitskooperationen
auf die Bekämpfung des organisierten Verbrechens auszudehnen.
Lösung offener politischer Fragen am Balkan
Auf dem Balkan - dem Spezialgebiet seiner diplomatischen Tätigkeit
- konstatierte Rohan, nach der Beruhigung der Konflikte sei eine neue
Periode angebrochen, die "der Schaffung von demokratischen
Institutionen und des Wiederaufbaus der Wirtschaft mit aktiver Hilfe
der EU und der Staatengemeinschaft". Das zweite Ziel sei die Lösung
offener politischer Fragen, wie die Zukunft Montenegos und
Bosnien-Herzegowinas "in einvernehmlicher Weise". Alle Staaten der
Region müssten an der europäischen Integration teilhaben, forderte
Rohan. Andernfalls "wird der Balkan nicht zur Ruhe kommen", warnte
er.
Im gleichen Boot sitzen wie die Nachbarn
Rohan bekannte sich zur zentralen Aufgabe Österreichs in
Mitteleuropa. "Die große Rolle", die Österreich durch eine Fülle
kultureller und wirtschaftlicher Bande "in den vergangenen Jahren
gespielt hat", müsse anerkannt werden. Die regionale Partnerschaft
sei zu verstehen "als Interessensgemeinschaft für den Zeitpunkt, wo
diese Staaten EU-Mitglieder werden". So hätten Tschechien, die
Slowakei und Slowenien gleiche Interessen in Verkehrsfragen. Und
eines Tages würden die Nachbarn als kleine Staaten in
EU-Institutionenfragen "im gleichen Boot sitzen". Vieles lasse sich
jetzt schon bilateral ausräumen. (APA)