Wien - Wann der nächste Konjunkturaufschwung eintreten wird, war ein Diskussionspunkt zwischen Wifo-Chef Helmut Kramer und IHS-Chef Bernhard Felderer bei der Präsentation der jüngsten Konjunkturprognose am Donnerstag. Kramer wies darauf hin, dass die Wifo-Prognose optimistisch sei. Darin werde ein Aufschwung angenommen, der in den aktuellen Wirtschaftsdaten keineswegs noch erkennbar sei. Felderer sagte, beide Institute seien sich einig, dass im kommenden Jahr eine Wirtschaftsbelebung einsetzen werde, Differenzen lägen jedoch beim Zeitpunkt des Aufschwungs, der von Amerika ausgehen und "ziemlich synchron" von Europa übernommen werde. Das Wifo erwarte den Aufschwung später als das IHS und habe demgemäß für die USA im Jahr 2002 nur eine Steigerung des realen Bruttoinlandsprodukts um 0,8 Prozent angenommen, das IHS dagegen eine solche von 2,5 Prozent. Daraus resultiert laut Felderer auch die Wachstumsdifferenz für Österreich im Jahr 2000: der Wifo-Schätzung von 1,2 Prozent stehen 1,6 Prozent des IHS gegenüber. Kramer verwies auf zwei Denkschulen. Die eine rechne, dass der Aufschwung sehr verhalten einsetzen werde, die andere rechne mit stärkeren positiven Auswirkungen der amerikanischen Geld- und Budgetpolitik, aufgrund der Zinssenkungen und eines geplanten öffentlichen Ausgabeimpulses von 150 Mrd. Dollar, der allerdings noch den Kongress passieren muss. Weiters würden die gesunkenen Energiepreise, vor allem beim Rohöl, konjunkturell entlastend wirken. IHS: USA als Vorreiter Felderer verwies auf mehrere Wirtschaftsindikatoren, die sich in den USA vor allem im November deutlich verbessert zeigten, darunter die gestiegenen Auftragseingänge von Produktion und Dienstleistungen, gesunkene Anträge auf Arbeitslosenunterstützung und die gestiegene Hausbautätigkeit. Daraus könnte in den USA im 4. Quartal sogar ein leichter BIP-Zuwachs resultieren, meinte Felderer. In Deutschland zeigten dagegen keine Indikatoren einen Aufschwung an. "Wir leben von der Hoffnung, dass die Konjunkturübertragung so funktioniert wie wir uns vorstellen", so der IHS-Chef. Mit der US-Konjunktur sollte demnach der Welthandel anspringen und sich positiv auf die europäische und damit auch österreichische Konjunktur auswirken. Felderer: Konjunkturpaket ausreichend dimensioniert "Man kann sich mit einer Stagnation auf hohem Niveau zufrieden geben. Aber man sollte auch die andere Seite sehen", so Kramer. Eine Stagnation über mehrere Quartale oder ein leichter Rückgang der Wirtschaftsleistung bedeute in der EU eine halbe bis eine Million mehr Arbeitslose und in Österreich 20.000 mehr Arbeitsuchende. Dazu komme eine steigende Zahl an Insolvenzen und die Notwendigkeit, Konsolidierungsziele zu verschieben. Die europäische Wirtschaftspolitik in Form der Geld- und Fiskalpolitik habe versagt, um eine koordinierte Politik zu entwerfen. Felderer sah das nicht so. "Ich glaube nicht, dass die europäische Wirtschaftspolitik katastrophal versagt hat". Die hohe Inflation im Euro-Raum verbunden mit einem hohen Geldmengenwachstum habe der Europäischen Zentralbank nicht erlaubt, die Zinsen stärker zu senken. In Österreich sei das Konjunkturpaket der Bundesregierung ausreichend dimensioniert. Auch ein größeres Infrastrukturpaket als die veranschlagten 6 Mrd. S hätte nicht mehr Impulse gebracht, da es ohnehin keine kurzfristigen Kapazitäten im Tiefbau gebe. (APA)