St. Pölten - Im Spiel der Abhängigkeiten zwischen Bauern, Schlachthofbesitzern, Behörden und Politikern eigneten sich Beschautierärzte "besonders gut als Sündenböcke", zürnt der Vizepräsident der Niederösterreichischen Landes-Tierärztekammer, Thomas Müller. "In Niederösterreich ist die Situation besonders schlimm", findet er.Veterinär wurde Polizeischutz angeboten So sei dem Martinsberger Kontrollveterinär Wolfgang Z. noch am Mittwochvormittag bei einer Sitzung in Zwettl nahe gelegt worden, den Schlachthof Willibald R.'s mindestens drei Wochen lang nicht zu betreten. Z. sei "zu befangen", um seinen Überprüfungspflichten nach dem Gesetz nachzukommen, habe es geheißen. Nur die Inhaftierung R.'s wenige Stunden später habe dem Ausgrenzungsversuch dann ein Ende gemacht. Dem Veterinär wurde inzwischen Polizeischutz angeboten. Verantwortung für solche Zustände Die Verantwortung für solche Zustände, so Müller, trage vor allem Landesveterinärdirektor Franz Karner. Dieser untergrabe "seit fünf Jahren sukzessive die Autorität der Fleischbeschauer". Indem er Beschwerden von Bauern und Schlachtern über "angeblich schikanöse, weil gründliche Kontrollen" bereitwilliger nachgehe als der Kritik von Veterinären über unhaltbare Zustände in manchen Schlachthöfen. Auf diese Art werde auf die Tierärzte Druck ausgeübt. Zeichen eines Interessenkonflikts, weil Karner genau jene Kreise kontrollieren müsse, für die er arbeite: "Er ist für die Veterinär- kontrolle im Land zuständig, aber dem Agrarressort zu- geordnet." Untragbare Zustände - keine Beachtung vor den Bezirkshauptmannschaften Landestierärztekammer-Präsident Christian König teilt diese Einwände inhaltlich, "aber nicht dort, wo es ins Persönliche geht". So sei es "üblich", dass Protokollvermerken von Beschautierärzten - auch solche über untragbare Zustände in Schlachthöfen - von den Bezirkshauptmannschaften keine Beachtung geschenkt werden: "Die Reaktion ist oft gleich null". Diesem Missstand wolle er "nun abhelfen", meint dazu der kritisierte Landesveterinärdirektor Karner im STANDARD-Gespräch. Er kündigt, einen Tag nach Gesundheitsminister Herbert Haupt (FPÖ), auch seinerseits strengere Kontrollen von außen an: In Zukunft werde man unangemeldet in den Schlachthöfen auftauchen, nicht vorangekündigt wie bisher. (Irene Brickner, DER STANDARD Print-Ausgabe 21.12.2001)