Der Fall des 20-jährigen US-Talib John Walker, der auf einem Kriegsschiff festgehalten wird, bewegt die Gemüter der Amerikaner: Der getaufte Katholik Walker, der durch seine Mutter auch mit dem Buddhismus vertraut ist, entschied sich vor vier Jahren, zum Islam überzutreten und als Talib den "Heiligen Krieg" zu kämpfen. In einem erst vor kurzem ausgestrahlten Interview, das schon am 2. Dezember kurz nach seiner Gefangennahme in Mazar-e Sharif aufgenommen wurde, erklärte Walker, er habe einer direkt von Osama Bin Laden finanzierten Kampftruppe angehört und sich dort als "ansar" (Helfer) betätigt.

Präsident George W. Bush will sich mit seiner Entscheidung, was mit Walker geschehen soll, noch Zeit lassen. Es scheint jedoch schon jetzt, als würde der Wunsch von Hardlinern, die Walker unbedingt hingerichtet sehen wollen, nicht in Erfüllung gehen. Zum einen kann Walker nicht vor eines der von Bush vorgeschlagenen geheimen Militärtribunale gestellt werden, da dies nur für Nichtamerikaner gilt. Zum anderen gibt es jetzt schon Diskussionen, ob er überhaupt wegen Verrats vor einem Kriegsgericht angeklagt werden kann: Denn die USA haben offiziell ja keinen Krieg erklärt. Selbst Justizminister John Ashcroft, keineswegs ein Liberaler, hat sich gegen die Todesstrafe für Walker ausgesprochen.

"Felsig und gefährlich"

Der rechtliche Hintergrund für eine Anklage gegen Walker sei "so undurchdringlich wie Afghanistan selbst, felsig, gefährlich, schlecht navigierbar", erklärte Eugene Fidell vom National Institute for Military Justice in Washington. Der Vietnam-Held und Expräsidentschaftskandidat John M. Cain hat einen Vorschlag: "Das Erste, was man mit ihm tun sollte, ist, ihn zum Ground Zero zu führen und ihm zeigen, was dort geschah. Dann wird man sehen, wie er sich fühlt." George Bush senior meinte, Walker solle mit seinen langen Haaren und seinem schmutzigen Gesicht das Land bereisen, dann werde man sehen, wie viele Sympathien ihm entgegenschlagen. Die Meinung der Durchschnittsamerikaner ist noch schwankend. Obwohl 47 Prozent der Ansicht sind, Walker sollte wegen Verbrechen gegen die USA eingesperrt werden, sprechen sich nur 22 Prozent für die Hinrichtung aus. (DerStandard,print-ausgabe,22.12.2001)