Je klarer Jörg Haider sein politisches Scheitern vor Augen hat, desto pathologischer werden seine Aktionen. Nur so könnte man seine Auftritte als Rumpelstilzchen im Cäsarenwahn noch deuten, will man ihm nicht geradeheraus unterstellen, er lege es bewusst darauf an, dem Rechtsstaat Österreich den Garaus machen. Wer das tut, dürfte allerdings nicht bloß seinen Rücktritt als Landeshauptmann fordern, wie dies immerhin Alexander Van der Bellen getan, Heinz Fischer als moralische Möglichkeit angedeutet hat und wie dies wegen Haiders sonstiger Leistungen in Kärnten ohnehin routinemäßig wieder einmal fällig wäre. Er müsste auch die Justiz gegen ihn mobilisieren. Und dies könnte nicht eine Aufgabe des Kärntner Volksgruppenzentrums bleiben, sondern erforderte berufenere Kaliber.

Dass der Justizminister mehr tut, als seine Entsendung in dieses Amt durch Haider zu rechtfertigen, war nicht zu erwarten. Und dass vom Bundeskanzler in der Causa Haider contra Adamovich außer lahmen Äußerungen nichts zu erwarten war, überrascht niemanden mehr. Dabei hätte er sogar eine kleine Handhabe - musste er doch, weil schon damals berechtigtes Misstrauen in die demokratischen Tugenden seines Paten bestand, gemeinsam mit diesem am 3. Februar 2000 vor dem Bundespräsidenten eine Präambel zum Regierungsprogramm unterschreiben, die die Gründer der schwarz-blauen Koalition auf einen zivilisatorischen Mindeststandard einschwören sollte. Nie ist der Geist dieser Präambel brutaler mit Füßen getreten worden wie in diesen Zeiten und Tagen.

Da heißt es zum Beispiel: "Die Bundesregierung arbeitet für ein Österreich, in dem Fremdenfeindlichkeit, Antisemitismus und Rassismus keinen Platz finden." - Aber wenn der Präsident der Israelitischen Kultusgemeinde Dreck am Stecken hat, wird man das schon sagen dürfen. - "Sie wird jeder Form von menschenverachtendem Gedankengut und seiner Verbreitung konsequent entgegentreten" - daher auch Presseförderung für Zur Zeit" - "und sich für die volle Beachtung der Rechte und Grundfreiheiten von Menschen jeglicher Nationalität einsetzen - gleichgültig aus welchem Grund sich diese in Österreich aufhalten. Sie bekennt sich" - es klingt, als hätte der Bundespräsident schon vorausgeahnt, was da kommt - "zu ihrer besonderen Verantwortung für einen respektvollen Umgang mit ethnischen und religiösen Minderheiten."

Aber es gibt auch die folgende Passage: "Die Bundesregierung bekennt sich zu den allen Mitgliedstaaten der Europäischen Union gemeinsamen Prinzipien der pluralistischen Demokratie und der Rechtsstaatlichkeit, wie sie auch in der österreichischen Verfassung verankert sind." Und weil der Bundespräsident in Kenntnis der Unterschreibenden schon im Februar 2000 dachte, doppelt hält besser, noch diese Passage: "Die Bundesregierung ist den allen Mitgliedstaaten der Europäischen Union gemeinsamen Grundsätzen der Freiheit, der Demokratie, der Achtung der Menschenrechte und Grundfreiheiten sowie der Rechtsstaatlichkeit verpflichtet, wie sie im Artikel 6 des Vertrages über die Europäische Union festgeschrieben sind."

Aber erstens lassen wir in Kärnten und Umgebung uns vom Ausland nicht vorschreiben, was Rechtsstaatlichkeit ist, wenn Verfassungsrichter nicht spuren, wie Haider will, und zweitens ist ja alles bestens: Schließlich ist Haider nicht in der Regierung, er hat ja nur die Regierungserklärungspräambel unterschrieben. Fein, dass auch der Herr Bundespräsident, wie seinen zarten Mahnungen vom Freitag zu entnehmen ist, dieses Papierl entweder vergessen hat oder sich über seinen Wert keine Illusionen macht.

(DER STANDARD, Printausgabe, 22.12.2001)