Newark/Las Cruces/Wien - Hebammen sind keine Entwicklung hoher Zivilisation, sondern seit den Vormenschen bekannt. Mehr noch: Sie sind die Begleiter einer Weiterentwicklung des weiblichen Beckens, die erst die Grundlage für die Entwicklung eines größeren Gehirns darstellt, behaupten die Anthropologinnen Karen Rosenberg von der University of Delaware und Wenda Trevathan von der New Mexico State University. Sie begründen ihren Befund mit Ergebnissen verschiedener Zweige ihres Faches im Spektrum der Wissenschaft (Jänner-Nr.).Demnach gibt es Geburtshilfe sicher seit Hunderttausenden Jahren, wahrscheinlich seit Jahrmillionen. Aus gutem Grund: Das Baby des Menschen, aber auch schon der berühmten Ostafrikanerin Lucy vor drei Millionen Jahren, muss sich mehrfach drehen, um durch den Geburtskanal des mütterlichen Beckens den Weg auf die Welt zu finden. Dabei kommt der baldige Säugling mit dem Rücken zur Mutter heraus. Eine ausgesprochen ungünstige Stellung, in der die Mutter ihrem Neugeborenen nur unter Verletzungsgefahr helfen kann. "Die Entwicklung des menschlichen Geburtskanals ist nichts anderes als eine Anpassung an den aufrechten Gang", widerspricht der Wiener Anthropologe Horst Seidler im STANDARD-Gespräch, begrüßt aber die provokante Hypothese, deren Diskussion die Zunft weiterbringen könne. Beckenform genetisch Die Form des Beckens sei über genetische Mechanismen gesteuert, nicht durch "externe Unterstützung". "Das würde doch bedeuten, dass genetische Adaptierungen über Umwelteinflüsse bedingt würden", so Seidler,"und davon sind wir lange weg." Der Anthropologe, der auch in Äthiopien nach unseren Vorfahren gräbt, widerspricht aber auch der Schlussfolgerung, Hebammen seien damals nötig gewesen. "Auch heute bringen Frauen in Afrika, wo der Einfluss der so genannten westlichen Zivilisation noch nicht so groß ist, Kinder in der Hocke zur Welt - ohne Hebamme. Unabhängig von sozialen Schichten." (DER STANDARD, Print-Ausgabe, 22./23. 12. 2001)