Europäische Versicherer wollen also aus durchsichtigen Motiven Gentests für den gläsernen Pensions- und Krankenversicherungskunden. Die heimische Merkur forciert das Thema nun bei uns, weil sie nicht potenzielle Pflegefälle aus halb Europa erben will. Die Versicherung auf ihrer (eigenen) Seite blickt begehrlich auf Länder ohne striktes Gentechnikgesetz, statt EU-weit hiesige Standards zu fordern. Man beklagt ein "Informations-Ungleichgewicht". Der Kunde als Verheimlicher.Aber von Information kann keine Rede sein. Was da an Rasterfahndung nach Abweichungen von der Gen-Norm im Mutterleib beginnt und sich bei Prädispositionen fortsetzt, sind Hinweise auf, selten Beweise für böse Krankheiten. Zwar sind etwa Brustkrebsgene identifiziert. Aber Tests darauf und auf anderes sind oft "falsch positiv", wie Genforscher warnen. Von wegen Information. Eher schon psychische Belastung auf Lebenszeit. So weit zum Inhaltlichen. Ein Argument gegen Gentests, das sich zugegebenermaßen mit präziseren Methoden (und verbesserter Arzt-Patienten-Kommunikation) abschwächen könnte. So gesehen ein guter Zeitpunkt, mit der Salamitaktik gegen das Recht auf Intimsphäre und Nichtwissen zu starten. Eine erste allgemeine Verunsicherung, quasi. Vielleicht entstehen ja wirklich wie zufällig Lobbyinggruppen, die für "geringere Risken" Nachlässe, für Gentest-Verweigerer Zuschläge verlangen. Vielleicht bekommt die Merkur ja Kunden ohne Risken. Ob sie dann noch eine Versicherung ist? Ist es nicht deren Wesen, einen Ausgleich zwischen Risken zu schaffen (und als Verwalter nett dabei zu verdienen)? Für den weiteren Wesenswandel: Wie wär's mit einer Erlebensversicherung speziell für den Ruhestand ab 120 Jahren? Oder mit einer Glasbruchversicherung für fensterfreie Gebäude (Garagenbonus)? (DER STANDARD, Print-Ausgabe, 22./23. 12. 2001)