Maastricht - Ein wenig verdutzt starrt der Spaziergängerim warmen Winterwams auf die Fußspuren im Schnee. Dort, wo sich aufPieter Brueghel des Älteren Gemälde "Volkszählung zu Betlehem" (1566)ein kauernder Schlittschuhläufer die Kufen schnürt, ist auf denspäteren Versionen aus der Werkstatt des Künstlersohnes Pieter desJüngeren nur ein Fleck im Schnee. Das ist längst nicht die einzigeÜberraschung, die den Besucher der Ausstellung "Die Firma Brueghel"im Bonnefantenmuseum der niederländischen Stadt Maastricht erwartet.Noch bis zum 17. Februar ist dort zu betrachten, wie einExperten-Team die Geheimnisse der Kopierwerkstatt des jüngerenBrueghel lüftet.Massenproduktion Mindestens 1.600, vielleicht sogar 4.000 Gemälde sind in derWerkstatt des Sohnes nach den Originalen von Pieter dem Älteren (um1520-1569) entstanden. Die Arbeitsweise dieser florierenden "Firma"wird in Maastricht wie in einem spannenden Kunstkrimi demonstriert.Exemplarisch sind dazu nur vier Sujets von der "Volkszählung" bis zur"Anbetung der Könige im Schnee" in jeweils bis zu zwölf Fassungendurchaus unterschiedlichster Qualität und Größe ausgestellt. "Warumgibt es so viele Kopien aus einer Werkstatt und warum sind sieentstanden", bringt die Bonnefanten-Spezialistin für Alte Kunst,Ingrid van Rooy, das Problem auf den Punkt. War der Vater, dessen schon damals begehrten Gemälde rasch inPrivatsammlungen verschwanden, sicherlich der bedeutendere Künstler,so war der Sohn, der vielleicht nie selbst gemalt hat und dieVorbilder des Vaters wohl nur von Zeichnungen kannte, eben so sicherder findigere Geschäftsmann. Mindestens fünf Maler, so fanden dieWissenschafter schon jetzt heraus, haben die zehn untersuchtenspäteren Versionen der "Volkszählung" angefertigt, um damit denNiedrigpreis-Markt Europas zu beliefern. Betrug war dabei keineswegsim Spiel, erklärt Ingrid van Rooy. Wer die Bilder kaufte, der wusste,dass es erschwingliche und kopierte "Brueghels" waren. Etliche derheutigen Besitzer seien beim Forschungsprojekt kooperativ, anderewollten die nüchterne "Wahrheit" aber lieber nicht wissen. Moderne Technik im Einsatz Mit Röntgenstrahlen, Infrarotlicht und anderen technischenFinessen schauen die Kunstdetektive vor den Augen der neugierigenMuseumsgäste unter Farbe und Firnis, zählen zur Datierung dieJahresringe der Eichenbildtafeln und vergleichen vor allem winzigsteDetails der meist vielfigurigen flämischen Szenen. Die mindestens 130Versionen etwa der "Winterlandschaft mit Vogelfalle", wohl wegenihres stark moralisierenden Sinns dazumal äußerst beliebt, haben dieProduktionskraft selbst der fleißigen "Firma Brueghel" überstiegenund müssen noch über Generationen kopiert worden sein. Bei den Details waren die eifrigen Kopisten, die die Kompositionmit Kartons wie mit Kohlepapier auf die Eichenbretter übertrugen,nicht immer gründlich. So fehlt nicht nur der Schlittschuhläufer, beider "Volkszählung" stemmt sich auch ein kleines Männchen in einenwidersinnig schlaff hängenden Pferdezügel. Im väterlichen Originalschiebt er kraftvoll einen Bauernkarren vor sich her. Und bei der"Anbetung der Könige im Schnee" schneit es nur in der Urfassungheftig, während in den Kopien der Werkstatt des Juniors derstimmungsvolle Niederschlag von Version zu Version beständig abnimmt. Hoppla Auch mit den Ohren scheint es bei den mündlichen Malanweisungendes "Chefs" nicht immer so geklappt zu haben. Während auf einigenKopien ein Reitersmann den Kirchweg kreuzt, spaziert auf anderen einuntergehaktes Paar zum Gotteshaus im Bildhintergrund. Dieniederländischen Ausdrücke "paardje" (Pferdchen) und "paartje"(Pärchen) ähneln sich auch wirklich zu sehr. DieDokumentarausstellung "Brueghel Enterprises" wird als "Schule desSehens" vom 22. März bis zum 23. Juni auch noch im Museum für SchöneKünste in Brüssel gezeigt. (APA/dpa)