Kabul - Der Paschtune Hamid Karsai ist am Samstagvormittag als neuer Ministerpräsident Afghanistans eingesetzt worden. Er legte im Innenministerium in Kabul vor dem amtierenden Vorsitzenden des Obersten Gerichts den Amtseid ab. Karsai schüttelte zur symbolischen Amtsübergabe Burhanuddin Rabbani die Hände, der während der Herrschaft der radikal-islamischen Taliban weiter von der UNO als rechtmäßiger afghanischer Präsident anerkannt worden war. "Ich verspreche Ihnen, dass ich meinen Auftrag, Frieden nach Afghanistan zu bringen, erfüllen werde", sagte Karsai in seiner Antrittsrede. Der 44-Jährige fügte hinzu: "Wir sollten uns die Hände reichen, um Brüder und Freunde zu sein. Vergessen Sie die schmerzliche Vergangenheit." Als vorrangige Themen seiner Regierung nannte Karsai Meinungsfreiheit, Rechte der Frauen und die Reformierung des Bildungswesens. Karsai hielt seine Rede auf Paschtu; er flocht jedoch ein Gedicht auf Dari, der Sprache der Tadschiken, ein. "Ich möchte versprechen, dass ich meine Aufgabe erfüllen will, Afghanistan Frieden zu bringen", sagte Karsai. Zugleich sagte er den Frauen, die unter den Taliban unterdrückt worden waren, Gleichberechtigung zu. "Wir respektieren die Frauen, die die Hälfte unseres Volkes ausmachen, und geben ihnen ihre Rechte", betonte er unter dem Beifall der 2.000 Gäste, zu denen auch der Oberbefehlshaber der US-Streitkräfte in Afghanistan, Tommy Franks, gehörte. In der Feier übergab Rabbani die Macht an Karsai. Das schlichte Zeremoniell war von vielen Gesten der Aussöhnung geprägt. "Ich möchte die Macht an Hamid Karsai übergeben. Ich möchte für ihn und seine Mitarbeiter beten", sagte Rabbani. Vor drei Wochen hatte Rabbani noch zu verhindern versucht, dass die Liste der Minister, die nun vereidigt sind, bei der Afghanistan-Konferenz in Bonn festgelegt wurde. Die Nordallianz Rabbanis wird von Tadschiken, Usbeken und schiitischen Hazara beherrscht, während Karsai Paschtune ist. Der UNO-Sondergesandte Lakhdar Brahimi sprach in seiner Rede von einem bedeutenden Tag für Afghanistan, die Vereinten Nationen und die gesamte internationale Gemeinschaft. Die neue Regierung übernehme ein Land, das seit vielen Jahren vernachlässigt worden sei, betonte Brahimi. Gleichzeitig appellierte er an die Staatengemeinschaft, den Wiederaufbau in Afghanistan zu unterstützen. Der iranische Außenminister Kamal Kharrazi sicherte Karsai die volle Unterstützung Teherans zu. Auch der belgische Außenminister Louis Michel, der die Europäische Union in Kabul vertrat, setzte ein Zeichen für Gleichberechtigung. Er ließ seine auf Französisch gehaltene Rede von einer Frau in Dari übersetzen. "Ich hoffe auf eine bessere Zukunft, in der Männer und Frauen zusammenarbeiten können", sagte Michel. Die Interimsregierung soll nach dem Sturz der Taliban zunächst ein halbes Jahr lang die Geschicke des Landes lenken. Die Zusammensetzung war Anfang des Monats auf der Afghanistan-Konferenz bei Bonn vereinbart worden. Zu den 29 Ministern, die Karsai vereidigte, gehören zwei Frauen. Die Nordallianz, die weite Teile Afghanistans von den Taliban befreit hatte, stellt 18 der insgesamt 30 Ministerposten. Der einflussreiche Mohammed Fahim übernahm das Verteidigungsressort, Yunus Kanuni wurde Innenminister, und Abdullah Abdullah Außenminister. Alle drei sind Tadschiken und hatten ihre Ämter schon seit November inne. Damals hatte die Nordallianz mit Hilfe der US-Luftangriffe die Taliban vertrieben. (APA/Reuters/AP/dpa)