ORF
Vorsicht, Wunschlisten!
Kommentar von Harald Fidler
Nicht einmal der Weihnachtswunsch der vermeintlich so mächtigen Kronen Zeitung ans Christkind wurde erhört: In einem "Offenen Brief" an die 35 ORF-Stiftungsräte forderte "Ihre Krone " Freitag ziemlich unverblümt die Wiederwahl von Gerhard Weis. Mit der von selbigem nicht ganz unbekannten Argumentation zwischen den Zeilen, nur dessen Wiederwahl wäre Beweis für ihre Unabhängigkeit von politischer Gängelung. Der Schluss ist ziemlich gewagt.Dass Weis - nach gut drei Viertel seiner Amtszeit - nicht wiederbestellt wurde, beweist den Politeinfluss noch nicht. Das Wahlergebnis allerdings deutet durchaus darauf hin: Für Monika Lindner stimmten die den Regierungsfraktionen zugeordneten Stiftungsräte mit nur einer (bürgerlichen) Ausnahme. Auch das noch kein Beweis, aber ein mehr als deutliches Indiz.
Dass die Abwahl Weis' des Kanzlers Wunsch ist, dokumentierte der selbst spätestens bei der Nationalratsdebatte zum ORF-Gesetz. Er hat das Match gewonnen, auch gegen die Krone. Freilich, stimmen die Angaben über Lindners Team, mit umfänglichen Konzessionen an seinen Koalitionspartner.
Lindner selbst brachte die Formel für den Umgang mit Politforderungen: Wünschen könne man sich alles, es gehe nur um den Umgang damit. Spätestens ab 1. Jänner wird man Lindner an ihren Taten messen können: Was bisher an "Gerüchten" über ihr Team durchdrang, klingt, vorsichtig formuliert, nicht durchgehend nach sachlichen Kriterien.
Aufhorchen ließ Lindner mit dem Hinweis, der Satz vom Umgang mit Wünschen stamme von ihrem Vorgänger Gerhard Weis. Es war Weis, unter dessen Führung in den vergangenen Wochen und Monaten vor allem blaue "Ausrutscher" in Serie auf Sendung gingen - vom eigenproduzierten Statement Jörg Haiders in "Kärnten heute" bis zum Sportinterview mit selbigem bis hinein in die Sendezeit der "ZiB 1".(DER STANDARD, Print-Ausgabe, 22/23.12.2001)