Frankfurt/Main - Um den Kanzlerkandidaten der deutschen Unionsparteien bahnt sich ein offener Machtkampf an. Sowohl CSU-Chef Edmund Stoiber als auch CDU-Vorsitzende Angela Merkel erklärten nach Presseberichten vom Wochenende ihren Willen zur Kandidatur. Demnach teilte Stoiber mehreren Ministerpräsidenten der CDU mit, er stehe als Kanzlerkandidat der Union bereit. Merkel dementierte ausdrücklich nicht, dass sie kandidieren wolle. Nach einem Bericht der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung" erklärte Stoiber, wenn er von der CDU-Führung darum gebeten werde, sei er bereit, Verantwortung für die "gesamte Union" zu übernehmen. Zu Befürchtungen, dass er seine Meinung ändere, wenn Merkel ebenfalls antreten wolle, habe Stoiber betont, er stehe fest zu seiner Absicht. Die CSU könne die Kandidatur aber nur wahrnehmen, wenn sich dafür eine klare Mehrheit in der CDU-Spitze finde, zitierte die Zeitung den bayerischen Ministerpräsidenten. In der CDU-Führung gehe man davon aus, dass der niedersächsische CDU-Vorsitzende Christian Wulff und der hessische Ministerpräsident Roland Koch die entscheidende Rolle in der so genannten K-Frage spielen werden. Laut "Bild am Sonntag" erklärte Stoiber vor Vertrauten, von seinem Antreten profitiere in den Wahlergebnissen auch die CSU. Der Regierungschef erwarte, dass er von Merkel darum gebeten werde, für die Union zu kandidieren. Der Zeitung zufolge wollte die CDU-Chefin das ihr zugeschrieben Zitat: "Ich weiß, dass Edmund Stoiber es werden will. Aber ich will es auch!" nicht dementieren. Nach Informationen des Blattes würde Merkel es auf eine Kampfabstimmung ankommen lassen, zum Beispiel in der Unionsfraktion, falls Stoiber auf seiner Kandidatur bestehen würde. In den vergangenen Tagen habe die Parteichefin mit nahezu allen wichtigen CDU-Landesvorsitzenden und Präsidiumsmitgliedern ihrer Partei Einzelgespräche geführt. Spitzenvertreter der Arbeitgeber, der deutschen Industrie und des Handwerks boten nach Informationen der "Leipziger Volkszeitung" der CDU Unterstützung im Wahlkampf für den Fall an, dass sich die Union rasch "auf eine Sieger-Strategie" für die Bundestagswahl verständige. Dazu zähle das Angebot von Merkel, Stoiber die Kanzlerkandidatur anzubieten. Stoiber habe als Ministerpräsident bewiesen, dass er den Strukturwandel erfolgreich meistern könne. Deshalb solle Merkel akzeptieren, dass es mit Stoiber "um den Sieg" gehe, hieß es. Es werde erwartet, dass Merkel in der zweiten Jännerwoche gebeten werde, mit Stoiber ein Wahlkampf-Team zu bilden, wobei Stoiber, "gestützt auf ein Votum der Präsidien von CDU und CSU" die Kandidatur übernehmen solle. Die SPD stellt sich unterdessen auf Stoiber als Kanzlerkandidat ein. Generalsekretär Franz Müntefering sagte der "Magdeburger Volksstimme": "Edmund Stoiber will anscheinend. Wenn das so ist, wird er sich durchsetzen und Kanzlerkandidat." Zur möglichen Rollenverteilung zwischen den beiden potenziellen Kandidaten sagte er: "Auf dem Unions-Tandem sitzt dann vorne Stoiber und lenkt, Angela Merkel strampelt hinter ihm." Der CDU-Chefin bleibe nur die Chance, sich "voll in die Linie von Stoiber zu bewegen und mit den Wölfen zu heulen." (APA/AP)