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Oczeret Herbert/APA
Berlin - Der Kanzler liegt gerne auf dem Sofa des Verlegers. So zumindest stellt sich das Regisseur Christoph Schlingensief in seiner Polit- und Medienfarce "Rosebud" vor, die am Freitag Abend in der Berliner Volksbühne uraufgeführt worden ist. "Demokratie ist der Versuch, die Dinge gekonnt scheitern zu lassen", spricht der Verleger, der früher selbst Politiker war. Am Ende scheitern alle: der Kanzler (Bernhard Schütz), gleich zwei Verleger (Martin Wuttke und Volker Spengler) und vielleicht auch Schlingensief. Der hatte aber ja bereits in der Vergangenheit das Credo "Scheitern als Chance" ausgegeben. Das Premierenpublikum ließ sich denn von vereinzelten Buhrufen auch nicht aus der Ruhe bringen. Mit "Rosebud" ist der 41-jährige Regisseur vom Event-Theater zur "richtigen" Bühnenkunst samt Textbuch und Choreografie zurückgekehrt. Der aufklärerische Anspruch bleibt, wird jedoch nur in manchen Momenten eingelöst. Die Story von "Rosebud" ist so absurd wie unübersichtlich. Zwei frustrierte Bundestagsabgeordnete kehren dem Reichstag den Rücken, um künftig die Nachrichten über das politische Geschehen per eigener "Zeitung am Sonntag", kurz ZAS, selbst zu produzieren. Das findet Bundeskanzler Gerd prima. Dann fingiert jedoch ein ehrgeiziger Jungjournalist die Entführung von Kanzler-Frau Doris (Margarita Broich) durch einen islamischen Fundamentalisten. Die Verleger-Ehefrau (Sophie Rois) entpuppt sich außerdem als "liebe, gute, alte, deutsche Terroristin", die sich in die Zeit der Springer-Hatz zurückversetzt fühlt - und schon hängt der Haussegen schief. Fast harmlos Inspirieren lassen habe sich Schlingensief von Orson Welles und Henrik Ibsens Stück "Rosmersholm", heißt es. Das bedeutet aber nur schlicht: Die Verleger heißen wie die Ibsen-Figuren Rosmer und Kroll, und auch der Schlitten mit dem Namen "Rosebud" aus Welles' Film "Citizen Kane" taucht auf. Mit Aktionen wie "Ausländer raus! - Bitte liebt Österreich" oder seinem "Hamlet"-Projekt mit echten Neonazis gelang es Schlingensief zuletzt, politische Diskussionen anzuheizen und zu beeinflussen. Seine Theaterarbeit "Rosebud" fällt dagegen fast harmlos aus. Zu Klängen von Wagner, Bach oder gruseliger Filmmusik wird nur sachte die deutsche Politik im Afghanistan-Konflikt kritisiert, und Bernhard Schütz' Kanzler starrt immerhin wunderschön in der Gegend herum. Manchmal gelingt es, die mit hohlem Pathos vorgetragenen Sprechblasen der Herrschenden zu entlarven und die Mächtigen der Lächerlichkeit preiszugeben. "Wir wollen dominieren, und wir werden dominieren" und "Man muss von veralteten Denkvorstellungen Abschied nehmen" geben die Protagonisten als ihre Ziele aus - in ihrem Berlin, "wo sich die Leidenden prototypisch versammelt haben". Oft aber wirken die abgehackten Dialoge der Theaterfiguren holprig wie beim Kasperltheater und nur (unfreiwillig?) komisch. Am Ende des Stücks sind wieder alle Utopien gestorben. Das Bühnenrund färbt sich trotzdem glühend rot. (APA)