Conrad Seidl

Wenn es um Familienpolitik geht, dann versucht sich unsere Regierung von ihrer besten Seite zu zeigen - gerade jetzt zu Weihnachten und zum neuen Jahr, das das lange versprochene Kinderbetreuungsgeld bringen wird. Gute Förderung für gute Familien.

Just zwei Tage vor Weihnachten hat der Verfassungsgerichtshof aber klar gemacht, dass der Umgang dieser Regierung mit den Familien von Ausländern keineswegs vorbildlich ist. Schon vor eineinhalb Jahren hatten die Höchstrichter erkannt, dass auch Kinder, die älter als 14 Jahre sind, ihren ausländischen Eltern nachziehen dürfen - damit wurde jene Regelung gekippt, mit der noch die SPÖ den Familiennachzug gedrosselt hatte.

Viel mehr wollte aber auch die damals neue Regierung nicht zugestehen - denn wenn die FPÖ ein Wahlversprechen ernst nimmt, dann ist es jenes, dass sie ein Bollwerk "gegen Überfremdung" errichten wird. So kam es zur Festlegung der Altersgrenze von 15 Jahren für den Familiennachzug, an der die Verfassungsrichter nun neuerlich rütteln.

Die von der Koalition gepflogene Unterscheidung in gute Familien und böse Familien ist grundsätzlich problematisch, weil sie nämlich an dem Menschenrecht auf ein Familienleben kratzt. Kompliziert wird die Sache dadurch, dass die Verwaltung von Migration in Österreich wesentlich langsamer passiert als die Migration selber: Ein Ausländer, der hierzulande Arbeit findet, ist schon froh, wenn er diesen Status legalisiert hat - wenn es ihm auch noch gelingt, seine Familie ins Land zu bringen, dann kommt es wohl nicht auf den einen oder anderen fehlenden Stempel an.

Kommt es doch: Denn natürlich gibt es ausländische Familien, die zusammen im Land leben, obwohl nicht alle die nötigen Bewilligungen haben. Sind das nun böse Familien? Und es gibt zerrissene Familien, bei denen der eine Teil hier, der andere in der alten Heimat lebt. Das wären nach dieser Lesart gute Familien, obwohl ein derartiges Familienleben wohl niemandes Idealvorstellung trifft.

Zusammengenommen geht es um schätzungsweise 12.000 Personen, die von einer Familienzusammenführung betroffen sein müssten - ein Jahre zurückreichender Stau, der viel zu langsam abgebaut wird. Das ist nicht nur unmenschlich und möglicherweise verfassungswidrig, es ist auch unvernünftig: Österreichs Wirtschaft braucht offenbar Zuwanderer; und zwar nicht irgendwelche, sondern die allerbesten. Diese Arbeitskräfte werden aber für den Standort Österreich nicht zu gewinnen sein, wenn sie erleben, dass die Familien von Ausländern jetzt und wohl auch in Zukunft nicht willkommen sind.

Österreich sollte also nicht auf seine Verfassungsrichter warten, um zu zeigen, dass alle Familien gute Familien sind, die hier gut zusammenleben können. Die Frage, wen man darüber hinaus ins Land lassen will, kann man dann unbeschwert von solchen Überlegungen diskutieren.

(DER STANDARD; Print, 24.12.2001)