STANDARD: Sie sind Verfassungsjurist. Wie beurteilen Sie das Verhalten des Kärntner Landeshauptmanns gegenüber dem Präsidenten des Verfassungsgerichtshofs? Khol: Im Rechtsstaat geht es darum, die Gewaltenteilung zu respektieren, die Justiz ist von der Verwaltung und von der Politik in allen Instanzen getrennt. STANDARD: Warum versucht Haider immer wieder durch überzogene Aussagen zu pro- vozieren? Khol: Ich will das nicht kommentieren. Jeder, der den Präsidenten Adamovich kennt, schätzt ihn. Ich habe zwar auch immer wieder meine Zwistigkeiten mit ihm gehabt, aber ich schätze ihn. Ich habe gelernt, dass man Richter respektiert. Als Politiker habe ich hoffentlich Maß halten gelernt. STANDARD: Was andere auch tun sollten? Khol: Das sagen Sie. Ich möchte hier nicht den Herrn Landeshauptmann qualifizieren. Er ist mündig. STANDARD: Der Salzburger Landeshauptmann, ein Parteikollege von Ihnen, ist hochkarätiger Historiker und hat ein Buch veröffentlicht, in dem er die Machtergreifung der Nazis untersucht. Seine Kernthese ist, dass faschistische Parteien in die Landtage gegangen sind, um sie von innen her zu zerstören. Stimmt diese These? Khol: Ich kenne diese Schrift von Schausberger, und ich lehne jeden Vergleich irgendeiner im Nationalrat oder in irgendeinem Landtag vertretenen Partei mit den Nationalsozialisten ab. STANDARD: Aber die Methode, die Institutionen von innen anzugreifen und zu zerstören, ist sehr ähnlich. Khol: Ich glaube, dass ich alles gesagt habe. STANDARD: Sie haben seinerzeit gemeint, dass die FPÖ außerhalb des Verfassungsbogens stehe. Gerät sie wieder in diese Position? Khol: Die FPÖ hat die Dritte Republik ad acta gelegt. Jörg Haider selbst hat die Deutschtümelei beendet und klargestellt, dass der Österreich-Patriotismus an erster Stelle steht. Und der revolutionäre Ton eines Ewald Stadler, der sich selbst als Dobermann bezeichnet hat, ist einem völlig moderaten, normalen Ton im Parlament gewichen. Mit dem Regierungseintritt hat sich auch die freiheitliche Partei voll zur Europäischen Union bekannt. Das waren die Voraussetzungen für die Rückkehr in den Verfassungsbogen. Mit dem Regierungseintritt wurde die FPÖ eine normale, demokratische Partei im Rahmen des europäischen Parteienspektrums. STANDARD: So ganz stimmt Ihr Befund nicht, denn immerhin mobilisiert die FPÖ gegen die Osterweiterung der EU anhand des Atomkraftwerks Temelín Khol: Ich nehme die Vizekanzlerin und den Klubchef Peter Westenthaler beim Nennwert. Sie haben sich öffentlich für die EU-Erweiterung ausgesprochen. STANDARD: Also Sie glauben nicht, dass am Ende des Tages ein Veto seitens der Freiheitlichen Partei zur Erweiterung der Europäischen Union kommt? Khol: Ich möchte hier nicht Prophet spielen. Ich erwarte, dass die Sicherheitsvereinba- rungen auf Punkt und Beistrich eingehalten werden. Dann liegt es an der FPÖ, wie sie entscheidet. STANDARD: Sie werden stets als Zuchtmeister des ÖVP-Klubs bezeichnet. Khol: Das ärgert mich ja schon gar nicht mehr. Mir geht es da wie dem Helmut Schmidt, den man die Schmidt-Schnauze genannt hat, als er schon lange keine mehr war. STANDARD: Sind Sie milder geworden? Khol: Ich bin älter geworden, da wird man milder. Man braucht die Strenge nicht mehr. Es wird in den Sitzungen konzentriert gearbeitet, und es werden nicht mehr nebenbei Geschäfte besorgt. STANDARD: War das früher der Fall? Khol: Früher waren die Klubsitzungen Durchhäuser. Jetzt wird ernsthaft gearbeitet, und die Leute haben sich an mich gewöhnt. STANDARD: Sie sind Tiroler. Khol: Gott sei Dank! STANDARD: Vielleicht sagen Sie das nicht mehr, wenn ich Sie nach dem Zustand der Tiroler ÖVP frage. Khol: Wir durchlaufen eine schwierige Phase. Wir haben jetzt einen sehr guten Parteitag hinter uns. Wir haben einen neuen Landesparteiobmann, den Innsbrucker Bürgermeister Herwig van Staa. STANDARD: Nicht der Wunschkandidat der Bundespartei . . . Khol: Das ist nicht wahr! STANDARD: Die Bundespartei wollte eigentlich den Günther Platter. Khol: Das ist eine Legende! Ich bin Teil der Bundespartei. Wolfgang Schüssel hat uns strikte Neutralität verordnet, und wir haben für niemanden Partei ergriffen. Herwig van Staa ist Obmann und wird von allen akzeptiert. Jetzt gibt es noch die letzten Hypo-Nachwehen, die werden aber hoffentlich sehr schnell zu Ende gehen. STANDARD: Zur Koalitionsarbeit: Der Zweite Nationalratspräsident Thomas Prinzhorn wirft der ÖVP Reformunfähigkeit vor. Khol: Thomas Prinzhorn ist der prononciert liberalistische Flügel in der FPÖ, dem Kapitalismus und Wirtschaftsliberalismus nie weit genug gehen können. Man kann mit Josef Cap fragen, wie repräsentativ er für die FPÖ ist. Ich spüre praktisch keinen Effekt solcher Aussagen. Seine Reformpläne sind so radikal, dass sie für niemanden in der Regierung wirklich maßgebend sind, auch nicht für die FPÖ. STANDARD: Man muss sich fragen, wie das weitergehen kann, bei solchen Vorwürfen. Khol: Wir haben achtzig Prozent unserer Regierungserklärung abgearbeitet. Wir haben die Republik in diesen zwei Jahren gestaltet. STANDARD: Umgestaltet im Sinn des neuen schwarz-blauen Proporzes. Khol: Nein, wir haben sie rot-weiß-rot gestaltet. Standard: Das ist eine ziemlich kühne Aussage. Khol: Das ist Ihre Beurteilung. Ich sage, wir regieren rot-weiß-rot, und wir haben eine gewaltige Arbeit hinter uns gebracht. Was wir noch erledigen müssen, ist die Abfertigung neu, die Verwaltungsreform, die Universitätsreform, Gerichtsreform, die Finanzbehördenreform ist fertigzustellen. Wir brauchen ein neues Kartellrecht, das ganze Demokratiepaket ist offen und natürlich auch das Budget 2003. STANDARD: Ihr Koalitionspartner will noch 2002 eine Steu- erreform beschließen, und zwar im Ausmaß von 15 Mil- liarden Schilling. Ist das drinnen? Khol: Versuchen muss man es auf alle Fälle. Versprechen darf man sie nicht, erst wenn man weiß, wie man sie bezahlt. Ich denke, dass wir bis zum Ende des Jahres 2002 mehr Klarheit haben werden. STANDARD: Stimmt die These, dass wenn Schwarz-Blau um ein Mandat mehr haben wird, die Koalition fortgesetzt wird? Khol: Das kann ich nicht sagen. Wir sollten weiter so regieren, wie wir jetzt zwei Jahre regiert haben, dann werden wir vor die Österreicher hintreten und um einen Vertrauensbeweis bitten. Wenn wir dieses Vertrauen bekommen, sollten wir die Arbeit fortsetzen. STANDARD: Selbst wenn die FPÖ den Kanzleranspruch erhebt? Manche sagen ja, man will beim nächsten Mal als drittstärkste Partei den Kanzler. Khol: Das Christkind war schon da. (DER STANDARD, Print-Ausgabe, 27.12.2001)