Wien - Wasti hat sich schon daran gewöhnt, von Leuten angegafft zu werden. Gelassen glotzt er durch die Gitterstäbe seines Zwingers zurück, hin und wieder bellt er die Leute auch an. Bis zu 2500 Schilling (181 Euro) müssten sie zahlen, wollten sie ihn mitnehmen. Um dieses Geld bekämen sie nicht nur ihn, sondern auch ein individuell auf den Rauhaardackel zugeschnittenes Servicepaket samt Garantie: Untersuchung, Impfungen, Kastration und kostenlose ärztliche Behandlung in den nächsten drei Wochen, sollte sich Wasti während dieser Zeit in seinem neuen Zuhause etwa einen Schnupfen holen. Bisher wollte ihn aber niemand von den Leuten, die vorbeikamen, haben.

Wasti ist Hund, kein Spielzeug. Das hat sein voriger Besitzer aber erst lernen müssen. Und als er es dann wusste, wusste er nicht, was er mit einem Hund anfangen sollte. Also gab er Wasti vergangenen Sommer im Wiener Tierschutzhaus in Vösendorf ab. Dort lebt er zwischen einem Terrier und einem Schäfer, die er aber nicht sehen, sondern nur wittern und hören kann. So wie die anderen rund 400 Hunde, die derzeit im Tierheim versorgt werden - neben etwa 1300 Katzen und weiteren 2300 Tieren, von grünen Leguanen über Rotwangenschmuckschildkröten bis hin zu Affen. Die Exoten hat man den Tierschmugglern entweder gleich bei der Einreise nach Österreich abgenommen und ins Tierheim gebracht, oder sie wurden, als sie ausgewachsen waren, ausgesetzt.

Des Rauhaardackels neue Freundin

Seit November hat Dackel Wasti eine Freundin. Alfi teilt sich mit ihm das etwa 15 Quadratmeter große fußbodenbeheizte Hundezimmer samt Schlafplatz und Fressnapf sowie den dazugehörenden rund zehn Quadratmeter großen umgitterten Hundegarten. Die Rauhaardackelin zeigt sich aber nicht gerne den Leuten. Sie muss sich erst noch daran gewöhnen, im Tierheim zu sein. Ihr Besitzer kam ins Gefängnis, sie hinter Gitter.

Ob er Alfi wieder abholt, wenn er seine Strafe abgesessen hat? "Das wissen wir nicht", bedauert Tierpflegerin Johanna. "Aber ohne ausdrückliche Genehmigung des Besitzers dürfen wir den Hund nicht weitergeben, muss er bei uns bleiben. Und eine Genehmigung haben wir nicht, wir wissen nicht einmal, wo und wie lange er sitzt."

"Wir sind hier alle optimistisch"

Vielleicht so lange, bis es das zahlungsunfähige Wiener Tierschutzhaus nicht mehr gibt? "So arg ist es ja nicht, wir sind hier alle optimistisch", betont die seit 16 Jahren dort beschäftigte Hundepflegerin und wendet sich lächelnd den beiden Dackeln zu.

Dieser Optimismus setzte sich jedoch erst durch, als sich die Stadt Wien bereit erklärt hatte, dem finanzmaroden Tierschutzheim zehn Millionen Schilling (730.000 Euro) als Soforthilfe zu geben - DER STANDARD berichtete. Anfang Dezember war bekannt geworden, dass die November-Gehälter für die insgesamt 114 Mitarbeiter - Veterinärmediziner, Tierpfleger und Verwaltungspersonal - nicht mehr bezahlt werden können. Ganz zu schweigen vom Weihnachtsgeld. Aufgrund der finanziellen Situation musste sogar davon ausgegangen werden, dass Wasti, Alfi und den anderen Tieren ab Mitte Dezember das Futter gestrichen werden würde.

200 Mio. Schilling für das neue Heim

"Es hat schon etliche Tränen gegeben", erinnert sich Tierheimsprecher Markus Hübel an jenen Tag, als die Belegschaft über den bevorstehenden Konkurs informiert worden war. Wie es so weit hatte kommen können? "Das Wiener Tierschutzhaus hat über Jahrzehnte hinweg die Agenden der öffentlichen Hand übernommen und dafür keinen Groschen vom Land erhalten", lamentiert Hübl. Das Gesetz sehe vor, dass etwa herrenlose Tiere ins Tierschutzheim gebracht und bis zur Weitervergabe betreut werden müssen - 65 Prozent aller Tiere im Heim seien herrenlos. "Das haben wir alles selbst finanziert." Das bisher ausnahmslos über Spenden aufzutreibende Monatsbudget betrage sechs Millionen Schilling (436.000 ). Und auch der Bau des Heimes habe rund 200 Millionen Schilling (14,5 Millionen ) verschlungen - Spendengelder.

"Das Grazer Tierschutzheim wird zu zwei Dritteln von Stadt und Land finanziert, das neue Tierschutzheim in Dornbirn immerhin zu 50 Prozent von den Gemeinden", vergleicht Hübl. An die zehn Millionen Schilling der Stadt Wien ist die Bedingung eines Sanierungskonzeptes geknüpft. "Wir arbeiten schon daran", versichert der Tierschutzheimsprecher, "und wir werden endlich über eine Kostenbeteiligung durch die Stadt Wien verhandeln." (DER STANDARD, Print-Ausgabe, 27.12.2001)