Adolfo Rodriguez Saa ist ein waschechter Caudillo, der vorerst interimistisch das Präsidentenamt in Argentinien ausübt, bis zu den Neuwahlen am 3. März 2002. Mit einer Mischung aus Nepotismus, harter Hand und Wirtschaftsdisziplin regierte der nunmehrige argentinische Interims-Präsident seit 18 Jahren seine Heimatprovinz San Luis. Das ist selbst für Argentinien, wo das Kleben an der Macht eher die Regel ist, Rekord. Seit der Rückkehr des Landes zur Demokratie 1983 siegte der fünffache Vater bei fünf Gouverneurswahlen, überstand diverse Korruptionsvorwürfe und einen Skandal um eine außereheliche Affäre. Schon in jungen Jahren wusste der Spross einer traditionsreichen Familie, dass er in die Politik wollte. Er ging in die Hauptstadt Buenos Aires und studierte Jus - wie 18 andere Staatschefs vor ihm. Er trat den Peronisten bei und diente sich über diverse Parteiämter rasch hoch. 1973 zog er im Alter von 26 Jahren als Abgeordneter ins Parlament ein und blieb dort bis zum Militärputsch 1976. Mit der Rückkehr zur Demokratie im Jahr 1983 gewann Rodriguez Saa knapp die Gouverneurswahlen in San Luis und avancierte zu einer Art "Landesvater". Es gelang ihm, die peronistischen Gouverneure der kleineren Provinzen um sich zu scharen. Als ihr Sprecher verstand er es geschickt, den Block zu einer Art "Zünglein an der Waage" im internen Machtgefüge zu machen. Internationales Profil gewann er in den letzten zwei Jahren als Parteisekretär für internationale Beziehungen. Allerdings ist es auch kein Geheimnis, dass er seine gesamte Sippschaft mit lukrativen Geschäften und strategischen Posten versorgt hat. Sein Bruder Alberto war über mehrere Legislaturperioden hinweg Senator und gilt als eine Art Koregent. Die Justiz ermittelte gegen den Restaurantbesitzer und Kunstmaler in einer Korruptionsaffäre. Schwester Zulema ist Direktorin der Provinzzeitung La Republica , drei weitere Zeitungen, zwei Kabel-TV-Sender und vier Radiostationen der Provinz sollen über Strohmänner ebenfalls der Familie Rodriguez Saa gehören. Menschenrechtler werfen dem 54-Jährigen vor, gegen Übergriffe der Polizei nichts unternommen zu haben und mit ehemaligen Schergen der Diktatur Geschäfte zu machen. San Luis ist ein kleiner, ländlich geprägter Bundesstaat im Westen Argentiniens, der kaum mehr als 350.000 Einwohner zählt - nicht einmal ein Prozent der Gesamtbevölkerung des Landes. Makröokonomisch steht San Luis nach 18 Jahren Rodriguez Saa gut da: eine geringe Verschuldung, ein tragbares Haushaltsdefizit, eine niedrige Arbeitslosenquote, wenig Kriminalität. Die Regierung investierte in Infrastruktur und lockte durch Steuererleichterungen Investoren an. (Sandra Weiss, DER STANDARD, Printausgabe 27.12.2001)