Mensch
Wiener Krebsimpfstoff in den USA getestet
"IGN101" soll gegen schwer behandelbaren Eierstockkrebs zum Einsatz kommen
Wien - Der von dem bisher größten österreichischenBiotech-Start-Up-Unternehmen Igeneon entwickelte Krebsimpfstoff"IGN101" sowie Folgeprodukte werden demnächst in den USA anPatientinnen mit sonst schwer behandelbarem Eierstockkrebs erprobtwerden.Vertragsabschluss
Vor wenigen Tagen schloss das Unternehmen in Wien mit dem Direktordes Zentrums für die Entwicklung von neuen Krebstherapien an derrenommierten Cleveland-Klinik (US-Bundesstaat Ohio), Univ.-Prof. Dr.Ernest C. Borden, einen langjährigen Kooperationsvertrag ab. DasCleveland Clinic Tausig Cancer Center soll auch Hilfe bei derRegistrierung der Igeneon-Krebsimpfstoffe bei derUS-Arzneimittelbehörde FDA bieten.
"Das Tausig Cancer Center an der Cleveland Clinic Foundationarbeitet mit 250 Medizinern und Top-Wissenschaftern an derEntwicklung moderner Krebstherapien. Wir freuen uns, dass wir diesesProjekt mit Igeneon beginnen können. Derzeit führen wir rund 20verschiedene klinische Studien mit möglichen Biotechnologie-Therapiengeben Krebs durch. Igeneon hat in den vergangenen außergewöhnlicheFortschritte bei der Entwicklung seiner Krebsimpfstoffe gemacht",erklärte Borden aus Anlass der Vertragsunterzeichnung in Wien.
IGN101
Das erste Projekt laut dem US-Wissenschafter: "Wir werden zunächsteinmal an 24 Patientinnen mit Eierstockkrebs die immunologischeReaktion auf die Verabreichung des Krebsvakzins IGN101 testen. Beiden Kranken wird es sich um Patientinnen handeln, bei denen Hinweisedarauf bestehen, dass durch die Operation das Karzinom nichtvollständig beseitigt werden konnte."
Bei Igeneon handelt es sich um ein im März 1999 von den beidenPharma-F&E-Experten (ehemals Novartis) Dr. Helmut Eckert und Dr. HansLoibner gegründetes Unternehmen, das mit 30 Mill. Euro (413 Mill.Schilling) Venture Capital Finanzierung im August 2001 zum größtenderartigen österreichischen Projekt wurde. Loibner: "Wir habenderzeit fünf Produkte in Entwicklung. Zwei davon befinden sich inbereits in klinischer Erprobung."
Dabei handelt sich neben dem Krebsvakzin IGN101 noch um dasProdukt IGN301. Das Grundprinzip hinter den potenziellenImmuntherapeutika: Das körpereigene Abwehrsystem der Patienten sollgegen Oberflächenbestandteile von Karzinomen "scharf" gemacht werden,die aus epithelialem Gewebe entstehen. Das sind zum Beispiel Brust-,Darm-, Magen-, Lunge- und Prostatakarzinome, insgesamt rund 70Prozent aller Krebserkrankungen.
Warten auf den Durchbruch
In den vergangenen Jahren sind international zahlreicheKrebsimpfstoffe erprobt worden. Ein echter Durchbruch aber fehltderzeit noch. Univ.-Prof. Dr. Ernest Borden von der Cleveland-Klinik:"Das Problem ist ja, dass die Antwort des Immunsystems desKrebspatienten auf den Tumor schwach ist. Die Tumorzellen ähneln zustark den körpereigenen Zellen."
Die Igeneon-Wissenschafter haben einen Trick parat, mit dem - sohoffen sie - das Problem einer zu schwachen Immunantwort überwundenwerden könnte. Der Präsident der Gesellschaft, Dr. Hans Loibner: "MitIGN101 zielen wir auf eine Immunreaktion gegen das OberflächenmolekülEp-CAM, das auf Krebszellen, die sich aus Epithelialgewebe gebildethaben, verstärkt gebildet wird. Es führt dazu, dass dieKarzinomzellen an einander haften und fördert die Bildung vonMetastasen (Tochtergeschwülsten, Anm.)."
Kreuz-Reaktion
Das Wiener Unternehmen setzt bei diesem potenziellenKrebsimpfstoff auf ein Fremdprotein, dessen Aminosäure-Abfolge("Epitope") sehr stark Ep-CAM ähnelt. Loibner: "Dieses xenogeneAntigen als Impfstoff wird injiziert, um eine Immunreaktion dagegenzu erregen, die wegen der Ähnlichkeit zu den Strukturen an derOberfläche der Krebszellen auch gegen diese wirkt."
Auf diese Weise soll eine Art "Kreuz-Reaktion" erreicht werden. Umdie Aktivierung des Abwehrsystems durch die Krebsvakzine noch zuerhöhen, sollen sie mit dem aus der sonstigen Impfstofferzeugung seitJahrzehnten bekannten Adjuvans Aluminiumhydroxid versehen werden.
Einen etwas anderen Weg - allerdings auch im Rahmen einerImmuntherapie - gehen die Igeneon-Wissenschafter bei IGN301. Damitsoll eine Abwehrreaktion gegen einen zweiten Oberflächenbestandteilvon Krebszellen aus Epithelialgewebe erzeugt werden: gegen dasLewis-Y-Kohlenhydrat.
Erfahrungswerte
Die bisherigen klinischen Studien, die vor allem zur Prüfung derVerträglichkeit und zur Messung der Immunreaktion durchgeführtwurden, sind laut den Proponenten positiv verlaufen. In einerklinischen Untersuchung an Patienten mit Darmkrebs an derUniversitätsklinik in Graz mit Univ.-Prof. Dr. Hellmut Samonigg alsStudienleiter deuteten die Ergebnisse auf eine längere Überlebenszeitjener Patienten hin, die mit IGN101 geimpft worden waren. DieResultate sind 1999 im Journal of Immunotherapy publiziert worden.
Das Programm zur Untersuchung der Vakzine von Igeneon an Patientenist jedenfalls längst in eine heiße Phase gelangt. In Graz, Rabat,Feiburg (plus bis zu 15 weitere Zentren), Cleveland und Augsburglaufen bzw. sind Untersuchungen geplant: mit IGN101, IGN301 und demweiteren potenziellen Produkt IGN311. Die größte (Freiburg undweitere Zentren) wird an rund 420 Lungenkarzinom-Patienten mit IGN101durchgeführt.
Doch für Loibner und Borden ist der Sprung an die Cleveland-Klinikmehr als die bloße Verbreiterung der Reihe der Studien an Patienten:Die US-Experten sollen auch die Schnittstelle zwischen dem WienerUnternehmen und der US-Arzneimittelbehörde FDA sein. Borden: "UnsereArbeiten sind mehr als nur weitere klinische Studien." Entweder fürdas Jahr 2004 oder 2005 wird nämlich eine Zulassung einesKrebsvakzins in den USA anvisiert. (APA)