Das Scheitern des Oslo-Prozesses, die Erdrutschniederlage Ehud Baraks gegen Likud-Chef Ariel Sharon im Februar und das endlose Hickhack bei der Suche nach einem neuen Vorsitzenden haben Israels Arbeiterpartei ideologisch und in den Umfragen auf einen historischen Tiefpunkt schlittern lassen - Benjamin Ben-Eliezer soll nun der Mann sein, der die zumindest nach dem Mandatsstand immer noch stärkste Partei wieder zu einer wählbaren Alternative macht.

Kein Wunder, dass der 65-jährige Verteidigungsminister zu allererst zur Einheit und zu gemeinsamer Aufbauarbeit aufrief. "Es gibt keine Lager mehr und keinen Streit mehr", sagte Ben-Eliezer in der Nacht auf Donnerstag in seiner kurzen Siegesrede, "ab morgen Früh sind wir wieder eine Familie, eine Partei, eine Fahne und ein Ziel."

Er werde die Sozialdemokraten "auf einen Weg und in eine neue Richtung führen", kündigte der stämmige Exgeneral an - und damit waren offenbar nicht nur Parteireformen gemeint, sondern auch ein eventuelles vorzeitiges Ende der großen Koalition.

Dass Ben-Eliezer es irgendwann an die Parteispitze schaffen würde, das hätte noch vor einem Jahr niemand gedacht - sein Sieg bei der partiellen Wahlwiederholung am Mittwoch stand dann aber von vornherein fest. Nach der Auszählung der "primaries" am 4. September war der ursprünglich haushohe Favorit, der junge Parlamentspräsident Avraham Burg, knapp vorne gelegen; wegen offensichtlicher Unregelmäßigkeiten in Dutzenden Wahllokalen konnte aber - ähnlich wie bei der Präsidentenwahl in den USA - kein Sieger proklamiert werden, und man raufte fast vier Monate lang um eine Lösung.

Die Neuaustragung in "verdächtigen" Wahllokalen wurde dann etwa von den Drusen, die Burg massiv unterstützt hatten, aus Protest boykottiert, und der chancenlos gewordene Burg gab auf. Tatsächlich machten am Mittwoch insgesamt nur sehr wenige der immer apathischer werdenden Parteimitglieder von ihrem Stimmrecht Gebrauch, von ihnen bekam Ben-Eliezer wie erwartet fast 90 Prozent - und das reichte unter dem Strich für einen Vorsprung von rund vier Prozentpunkten.

Trotz der fragwürdigen Art, in der Ben-Eliezer gekrönt wurde, verzichtete Burg auf einen weiteren Einspruch; auch die anderen Parteigranden, die seit Jahren als Anwärter auf die Spitzenposition gegolten hatten, gratulierten. Die erste Klippe, die Ben-Eliezer nun umschiffen muss, ist das durch die Auswirkungen der Intifada notwendig gewordene Sparbudget 2002, gegen das sich große Teile der Arbeiterpartei wehren.


(DER STANDARD, Printausgabe, 28.12.2001)