Die schwarz-blaue Wende ist vor allem wirtschaftspolitisch eine Enttäuschung für jene bürgerlichen Kreise, die sie unterstützt haben - richtig? Richtig. Das liegt zu einem großen Teil daran, dass die FPÖ in ihrer Mischung aus Vulgärpopulismus und fachlicher Inkompetenz sich als praktisch regierungsunfähig erwiesen hat, richtig? Richtig. Wenn eine Gefahr für das schwarz-blaue Experiment hauptsächlich von einem Punkt ausgeht, dann von der FPÖ und der wachsenden existenziellen Verzweiflung ihres Superstars Haider, richtig? Richtig. Warum, um Himmels willen, soll dann aber die FPÖ für ihr Versagen belohnt werden, indem man sie nun in "Sandkastenspiele mit einer anderen Koalition" (Alfred Payrleitner im Kurier) als denkbaren Partner einbezieht? Weil manche Publizisten - wie Payrleitner - die FPÖ auch nach erwiesener Untauglichkeit für Regierungsverantwortung im Spiel halten wollen?

Aber natürlich gibt es unter den habituellen Sandkastenspielern, auch denen der SPÖ, ein gedankliches Gebastel, ob nicht doch eine rot-blaue Variante, mit oder ohne Haider, die im Grunde havarierte schwarz-blaue Koalition ablösen könnte. Die zugrunde liegenden Überlegungen sind simpel: Rot-Grün geht sich schlicht und einfach nicht aus. Rot-Schwarz wäre, selbst bei entsprechendem Wahlergebnis, wenig attraktiv und überdies durch die wirkliche Wut der Roten auf die Schwarzen (und umgekehrt) belastet. Wenn also die SPÖ nicht auf ihre Chance verzichten will, nach vier Jahren wieder den Kanzler zu stellen, dann muss sie es eben mit Blau versuchen, heißt es vereinzelt. Auch aufseiten der FPÖ gibt es ähnliche Überlegungen. Dass Schüssel sie ständig austrickst, macht böses Blut. Haider hätte ohnehin immer lieber mit einer verschlögelten SPÖ koaliert. Und jetzt macht auch noch Prinzhorn der SPÖ schöne Augen. Herr Puntila entdeckt den Knecht Matti als Kompagnon. Lachhaft.

Vor allem aber: Da die FPÖ so ist, wie sie eben ist - de facto nicht regierungsfähig -, warum soll sich eine SPÖ das antun, sich an einen derartigen Problempartner zu binden? Wenn Haider die Koalition mit Schüssel sprengt, warum soll es dann der SPÖ mit ihm besser gehen? Ah so, weil dann eventuell die "Arbeitsfraktion Riess-Passer/Grasser" (Payrleitner) die FPÖ übernommen hat? Da müsste zunächst zu klären sein, ob unter "Arbeit" auch "Ergebnisse" zu verstehen sind? Was hat Riess-Passer real in der Verwaltungsreform vorzuweisen? Was hat Grasser anderes vorzuweisen als Marketinggeschwurbel, enorme Steuerbelastung und strukturelle Flops bei der Privatisierung und Standortförderung?

Ganz abgesehen davon: Die FPÖ ist Haider. Er baut ab, gewiss. Aber wie viel Prozent hätte eine Riess-Passer/Grasser-FPÖ? In Wahrheit besteht zwischen SPÖ und FPÖ direkte Konkurrenz um den "kleinen Mann", vormals "Arbeiterschaft". Die nächste Wahl geht darum, ob und wie viel die FPÖ abgeben muss, und zwar hauptsächlich an die SPÖ. Das wiederum wird in erster Linie durch das "soziale Thema" entschieden - wer vertritt den "kleinen Mann" besser, FPÖ oder SPÖ? Oder, anders formuliert, kann die FPÖ die bisherige lupenreine Belastungsbilanz von Schwarz-Blau bis 2003 vergessen machen? Und kann die SPÖ wieder der Champ des kleinen Mannes werden?

So sieht das zumindest Alfred Gusenbauer, und so gesehen hätte es überhaupt keinen Sinn für die SPÖ, der FPÖ freundliche Nasenlöcher zu machen. Schon möglich, dass Einzelne in der SPÖ das anders sehen. Strategisch und taktisch macht es trotzdem keinen Sinn.
hans.rauscher@derStandard.at

(derstandard,print-ausgabe,28.12.2001)