Linz - James Bond ist an diesem Abend nicht im Raum. An den Spieltischen im Linzer Casino sieht man keine hervorragend aussehenden Männer und Frauen in Smoking und Modellkleidern, die bei aberwitzigen Einsätzen noch Karten ziehen, ohne mit der Wimper zu zucken. Stattdessen tummelt sich gemischtes Publikum: Pensionisten, einige Anzugsträger, die nach Dienstschluss Fortuna fordern, eine Gruppe Twens. Sie alle konzentrieren sich auf Kugeln und Karten, den Croupiers wird wenig Beachtung geschenkt.Soviele Eindrücke wie ein Flugcontroller zu verarbeiten Zwischen 60 und 70 Vertreter dieser Berufsgruppe arbeiten am oberösterreichischen Standort der Casinos Austria, erzählt Direktor Gernot Rosenmayr. Und leisten seiner Überzeugung nach Beachtliches: "Wir haben einmal eine Untersuchung machen lassen. Dabei kam heraus, dass Croupiers pro Minute genau so viele Eindrücke verarbeiten müssen wie Flugcontroller." Aus diesem Grund arbeiten die Croupiers auch nur eine Stunde durch, anschließend können sie sich 15 Minuten entspannen. Im Aufenthaltsbereich, der den Augen der Casinobesucher verborgen bleibt, haben sie Gelegenheit dazu. Fernsehkabinen für Raucher- und Nichtraucher, Kantine, Duschen und Garderoben sind hier untergebracht. Auch ein Fitnessgerät zur Entlastung des Rückens findet man, ebenso wie Gesellschaftsspiele und Karten. "Die werden aber eher nicht genutzt", gibt Rosenmayr zu. Euro-Ansturm In der Silvesternacht erwartet man in Linz wie auch an den übrigen Standorten der Casinos Austria einen vermehrten Spieltrieb. Der Grund: natürlich die Euro-Einführung. Die dreifache Menge an Wechselgeld wird bereit gehalten, ab 0 Uhr kann man die Einsätze auch in der neuen Währung wagen. Für die Croupiers ändert sich dadurch wenig, sind Peter Leitner und Roland Holzinger überzeugt. Der 40-jährige Leitner ist Inspektor, und damit Leiter des Spielbetriebes, während der sechs Jahre jüngere Holzinger als Croupier arbeitet. "Wir bieten Unterhaltung, das wichtigste ist, dass sich die Gäste wohl fühlen." Gut 60 Prozent des Gehaltes kommen über die Trinkgelder der Kunden, dabei ist es gleichgültig, in welcher Währung. Volle Konzentration Der Lohn sei hart verdient, beteuern beide. Der Tischchef muss alles im Auge behalten, um Unregelmäßigkeiten zu vermeiden. "Man muss sich völlig konzentrieren, darf nicht dabei denken", schildert Leitner. Gerade am Anfang mache das noch Schwierigkeiten. Er selbst ist "ohne Vorstellungen" in den Beruf gegangen. Ursprünglich hatte er Atom- und Kernphysik studiert, dann aber doch beschlossen, dass der Umgang mit Menschen interessanter sei als jener mit Elektronen und Quarks. Wie alle angehenden Croupiers musste er eine einjährige Ausbildung absolvieren, ehe er an die Tische durfte. Gefordert sind neben Reaktionsfertigkeiten auch die Matura und Fremdsprachenkenntnisse. Dass die Arbeitszeiten in der Nacht liegen, stört die beiden nicht. "Man hat dafür tagsüber Zeit." Die sozialen Beziehungen würden darunter nicht leiden, gibt es doch auch ein Rotationssystem, das eine gewisse Zahl freier Wochenenden garantiert. Und dann kann man im Zweifelsfall die Arbeit der Kollegen in den James-Bond-Filmen in Ruhe anschauen. (Michael Möseneder, DER STANDARD Print-Ausgabe 28.12.2001)