Nahost
Starke Spannungen Beirut-Washington
Libanesische Führung kann Hisbollah-Aktivitäten nicht einschränken
Beirut - Mit der Forderung, gegen die von ihnen als
terroristisch eingestufte Schiitenorganisation Hisbollah vorzugehen,
haben die USA die libanesische Führung in eine denkbar unangenehme
Situation gebracht. Syrien und der Iran nahmen die Gelegenheit
sogleich wahr, auf ihr Mitspracherecht bei allen Entscheidungen
im Zedernstaat zu pochen. Nachdem Beirut das Einfrieren von
Hisbollah-Konten empört abgelehnt hat, blieb es einem iranischen
Regierungsemissär vorbehalten, die Unverletzlichkeit der
Hisbollah-Privilegien im Libanon zu verkünden. Die "Partei Gottes" bleibe "bis zum vollständigen Ende
der israelischen Okkupation" bewaffnet, erklärte der iranische
Vize-Außenminister Mohammad Sadr nach einer längeren Unterredung
mit dem libanesischen Staatspräsidenten Emile Lahoud am Donnerstag
in Beirut. Sadr hatte dem Staatschef eine Botschaft von Präsident
Mohammad Khatami überbracht, über deren Inhalt keine Angaben gemacht
wurden. "Solange die Okkupation andauert, hat der Libanon das Recht,
sich dagegen zu wehren", sagte der Teheraner Vizeminister, der sich
auf die umstrittenen so genannten Shebaa-Ländereien im Dreiländereck
Israel-Libanon-Syrien bezog. Die führende Beiruter Tageszeitung
"An Nahar" berichtete, Teheran überweise der Hisbollah-Führung
unter Scheich Hassan Nasrallah weiterhin zehn Millionen US-Dollar
monatlich.
Grund der Aufregung
Äußerungen des amerikanischen Botschafters in Beirut, Vincent
Battle, über die Hisbollah hatten zu einer schweren Verstimmung im
Verhältnis zwischen der libanesischen Regierung und den USA geführt.
Präsident Lahoud sah sich zu einer offiziellen Klarstellung
veranlasst, dass die Hisbollah, die im Parlament über eine eigene
Abgeordnetenfraktion verfügt, keine terroristisch ausgerichtete
Organisation sei. Battle wies die Aussagen des
christlich-maronitischen Staatsoberhauptes in einem Interview
für einen privaten Fernsehsender als "nicht überzeugend" zurück.
Das ungewöhnliche Verhalten des Diplomaten sorgte für allgemeine
Empörung. Schiitische Parlamentarier forderten die Regierung auf,
den US-Botschafter zur "unerwünschten Person" zu erklären.
Battle hatte die Hisbollah unter anderem beschuldigt, auch
Terrorakte der Palästinenser-Organisationen Hamas und "Islamischer
Heiliger Krieg" gegen Israel zu steuern. Die "Partei Gottes" und ihre
Miliz verfügen über annähernd 7000 Kämpfer. Nach dem israelischen
Rückzug aus dem Südlibanon im Mai 2000 war die Hisbollah-Miliz
triumphierend in die von der israelischen Armee und deren Hilfsmiliz
SLA ("Südlibanesische Armee") geräumten Ortschaften vorgerückt.
Gegründet wurde die Hisbollah 1982 nach dem israelischen Einmarsch
im Libanon im Auftrag des Teheraner Revolutionsregimes von Ayatollah
Khomeini, um den "Kampf gegen die Zionisten aufzunehmen". Sie wurde
zur dominierenden politischen und militärischen Kraft des
schiitischen Bevölkerungsteils im Libanon. (APA)