Argentinien
Argentinien: Neuer Auslieferungsantrag gegen Alfredo Astiz
Paris - Nachdem die argentinische Übergangsregierung ihre
Bereitschaft bekundet hat, ehemalige Militärs auszuliefern, die von
der Justiz anderer Länder wegen Menschenrechtsverletzungen in der
Zeit der Militärdiktatur (1976-83) gesucht werden, will die
französische Rechtsanwältin Sophie Tonon ein neues Verfahren
zur Auslieferung des ehemaligen Fregattenkapitäns Alfredo Astiz
erreichen. Astiz gilt als einer der gewalttätigsten Handlanger der
Junta und wird, wie Kathpress berichtet, unter anderem für den Tod
der französischen Ordensfrauen Leonie Duquet und Alice Domont
verantwortlich gemacht.Schicksal der Verschwundenen
Französische Richter hatten Astiz wegen des Doppelmords 1990 in
Abwesenheit zu lebenslanger Haft verurteilt. Unter Berufung auf das
"Territorialprinzip", nach dem nur dort Klage erhoben werden könne,
wo das Verbrechen begangen wurde, hatte Argentinien im August einen
Auslieferungsantrag Frankreichs abgelehnt. Der neue Justizminister
Alberto Zuppi kündigte nun an, ein Erlass der Vorgängerregierung,
der die Auslieferungen verbot, soll aufgehoben werden.
Auslieferungsgesuche wegen Menschenrechtsverbrechen hatten auch
andere europäische Staaten wie Deutschland, Spanien und Italien
gestellt.
Während der Militärdiktatur wurden in Argentinien nach Angaben
von Menschenrechtsorganisationen 30.000 Menschen getötet oder
verschwanden spurlos. Leonie Duquet und Alice Domont gehörten
dem Missions-Institut "Notre Dame de la Motte" an, das von einem
Argentinier in Toulouse gegründet worden war. Duquet wirkte seit 1949
in Argentinien, Domont seit 1967. Ab 1976 stellte sich Domont, die
sich sehr für die Armen engagierte, an die Seite der Mütter, die auf
der Plaza de Mayo in Buenos Aires für Aufklärung des Schicksals ihrer
von den Militärs verschleppten Angehörigen demonstrierten.
"Kommunistische Subversion"
Astiz, auch "Engel" oder "Blondie" genannt, schleuste sich im
Herbst 1977 unter falschem Namen bei den Organisatoren der Proteste
der "Mütter der Verschwundenen" ein. Er gab sich als Bruder eines
Verschleppten aus und veranlasste die Verhaftung mehrerer
Aktivistinnen wegen "kommunistischer Subversion", unter ihnen
die beiden Ordensfrauen und eine Gruppe von Laien. Die beiden
Ordensfrauen, damals 63 bzw. 40 Jahre alt, wurden nach Zeugenaussagen
betäubt und ins Meer geworfen. Die Leichen sollen in einem Kanal nahe
des Rio de la Plata gefunden und anschließend heimlich auf einem
Vorstadtfriedhof begraben worden sein.
Astiz hatte sich auf Verschleppung, Folter und Ermordung wehrloser
Frauen "spezialisiert". Unter ihnen war die 17-jährige Schwedin
Dagmar Hagelin, die er mit einem Schuss in den Kopf tötete. Italien
wirft Astiz vor, drei italienische Staatsangehörige umgebracht zu
haben und einer von ihnen, Susana Pegoraro, ihr in Gefangenschaft
geborenes Kind weggenommen und einer argentinischen Offiziersfamilie
übergeben zu haben.
Amnestiegesetz
1987 war Astiz fünf Monate in Haft, das damals erlassene
Amnestiegesetz verschonte ihn vor Bestrafung. Im Juli 2001 wurde er
wegen internationaler Auslieferungsanträge in Gewahrsam genommen, im
August kam er bereits wieder auf freien Fuß. Italien hatte zuletzt
gehofft, Astiz wegen des Kindesraubs vor Gericht bringen zu können,
da Verbrechen an Kindern nicht unter die Amnestie fallen. Die
argentinische Justiz hatte aber bisher diese Vorwürfe gegen den
Marineoffizier nur halbherzig verfolgt. (APA)