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Foto: Reuters/Halada
Die Republik Österreich hat in einem Dreivierteljahrhundert viermal die Währung gewechselt. Einmal ging der Weg von der Krone zum Schilling, unter wirtschaftlichem Zwang, mit Nostalgie ob der verspielten Monarchie des zerfallenen Kakaniens. Ein zweites Mal wechselten wir unter Zwang; mit wenig Bedauern über den verlorenen Ständestaat und mit bald enttäuschten großen Erwartungen in das 1000-jährige Reich und vom Schilling in die Reichsmark. Nach sieben Jahren war das 1000-jährige Reich untergegangen, alle freuten sich, wieder einmal davongekommen zu sein. Mit dem Mut der Verzweiflung begannen wir das zerstörte Land aufzubauen und wechselten von der Reichsmark wieder zurück zum Schilling. Meine erste Begegnung mit dem Schilling fand Ende der 20er-Jahre statt. Für uns Kinder war der "Tausender", das 10-Groschen-Stück, einst 1000 Kronen, jetzt die Währung. Dafür bekam man zum Beispiel ein Gefrorenes. Die Lehre, Jahrzehnte später daraus gezogen: Es dauert lang, bis eine Währung und der Inflationsprozess vergessen ist. Meine zweite Begegnung fand in Form einer Dissertation über die Währungsmaßnahmen der Zweiten Republik statt. Das Thema wählte ich 1947 aus arbeitsökonomischen Gründen: Es gab damals nicht allzu viele Währungsmaßnahmen . . . Eine dritte entscheidende Begegnung fand in meiner Tätigkeit als volkswirtschaftlicher Referent des Österreichischen Gewerkschaftsbundes statt. Sie verwickelte mich in den Kampf gegen die Nachkriegsinflation. 1951 besuchte der Generaldirektor des IMF, Per Jakobson, Präsident Böhm, der mich zur Aussprache beizog. Jakobson sagte: "Wenn ihr frei werden wollt, müsst ihr wirtschaftlich auf eigenen Füßen stehen können, und die Voraussetzung dazu - ihr müsst den Schilling stabilisieren." "Symbol des wirtschaftlichen und politischen Erfolgs" Jetzt wechseln wir wieder freiwillig und mit leisem Bedauern, dass wir den Schilling - das Symbol des wirtschaftlichen und politischen Erfolgs unserer Republik in einem halbem Jahrhundert - aufgeben, aber auch mit dem Gefühl der Stärke, und steigen in den Euro ein. Damit machen wir einen weiteren Schritt in einen großen Wirtschaftsraum, noch dazu mit der erfreulichen Perspektive seiner Erweiterung um unsere östlichen Nachbarstaaten. Der Weg zum Euro war allerdings schon lange vorgeplant und vorgespurt. Eigentlich schon, als wir das Wagnis unternahmen - nachdem das Bretton-Woods-Abkommen Anfang der 70er-Jahre zusammengebrochen war und der Dollar als Ankerwährung wegfiel -, einen eigenständigen Weg zu gehen. Der Entschluss, der letzten Endes zur Ankerwährung D-Mark führte, war leichter gefasst als durchgeführt. Anfangs orientierten wir uns an einem Währungskorb, aus dem eine Währung nach der anderen entfernt wurde, beginnend mit der Lira. Übrig geblieben ist dann die D-Mark. Hartwährungspolitik Wir verkauften die Politik der Anbindung an die D-Mark als Hartwährungspolitik und kamen damit einige Jahre ganz gut zurecht. Es gab Auseinandersetzungen mit dem Bundeskanzler, mit der Wirtschaftskammer, mit den politischen Parteien. Letzten Endes aber hatte das Triumvirat, bestehend aus dem Gewerkschaftspräsidenten, dem Finanzminister und dem Notenbank-Generaldirektor, alle Schwierigkeiten durchgestanden. Bald schwenkte die Vereinigung Österreichischer Industrieller auf die Linie der Hartwährungspolitik um, und als 1978 Professor Koren die Präsidentschaft der Oesterreichischen Nationalbank übernahm, war die Hartwährungspolitik bald allgemein akzeptiert. Selbst der internationale Währungsfonds, der anfangs überaus skeptisch unserem Experiment gegenüberstand, schwenkte auf unsere Linie ein. Die optimistische Generation der Macher hatte im Gegensatz zu Bundeskanzler Kreisky, der noch die Ängste der Ersten Republik hinsichtlich Konkurrenzfähigkeit der österreichischen Wirtschaft in sich trug, aus den Erfahrungen und Erfolgen der Zweiten Republik ein innerliches Kraftgefühl, mit dem es auch gelang, die Leistungsbilanzkrise der späten 70er-Jahre zu meistern. Kurz und gut, dieser erste Schritt zu einer gemeinsamen Währung war gelungen. Er war auch der entscheidende Schritt. Nachdem Österreich 1994 den Beitritt zur Europäischen Union geschafft hatte, der auch in einer Volksabstimmung mit einer Zweidrittelmehrheit bestätigt wurde, standen wir vor der Frage, ob ein österreichisches Mitmachen bei der einheitlichen europäischen Währung möglich wäre. Die Grundvoraussetzung war Beibehaltung eines stabilen Wechselkurses mit der Leitwährung D-Mark, Beiwerk waren die sich schon daraus ergebende niedrige Inflationsrate, die Österreich durchaus zustande gebracht hatte, die Aussicht auf ein einigermaßen ausgeglichenes Budget und die Reduktion der Staatsverschuldung. Jeder Kenner der Verhältnisse weiß, dass die niedrige Inflationsrate von maximal zwei Prozent nur am Rande von den öffentlichen Haushalten abhängt, im entscheidenden Ausmaß aber von der Lohnpolitik der Gewerkschaften. Da nun aber eine industrielle Reservearmee als Druckmittel, um die Gewerkschaften zu einer Lohnpolitik zu zwingen, die stabilitätskonform ist, vermieden werden muss - wo bliebe sonst das Ziel, den europäischen Wohlfahrtsstaat zu erhalten -, kommt wohl nur eine Lohnpolitik infrage, die sich an der gesamtwirtschaftlichen Produktivitätssteigerung orientiert. Dazu war der österreichische Gewerkschaftsbund durchaus in der Lage und auch willens. Der deutsche Gewerkschaftsbund hat sich auch immer stabilitätskonform verhalten, trotz seiner organisatorischen Schwächen. In den anderen Ländern der Europäischen Union dürfte diese Grundvoraussetzung für Stabilität erreichbar sein. Die europäische Zentralbank verfügt nur über ein geringes Ausmaß von Mitteln zur Intervention, ganz im Gegensatz zur Oesterreichischen Nationalbank, die mit diesen Mitteln zur Intervention reichlich ausgestattet war, beginnend mit der Kooperation mit den Gewerkschaften, der Stütze durch die Sozialpartnerschaft und der Kooperation mit der Regierung. Geschickte Öffentlichkeitsarbeit Die Akzeptanz der neuen Währung ist in Österreich offenbar gelungen, nicht zuletzt durch eine geschickt gesteuerte Öffentlichkeitsarbeit, bei der vor allem die Oesterreichische Nationalbank, aber auch die Österreichische Gesellschaft für Europapolitik und die Sozialpartner mitmachten. Der Euro hatte zugegebenermaßen einen schwachen Start, der allerdings durch die Überbewertung gegenüber dem Dollar vorprogrammiert war. Bei Licht besehen war aber diese Schwäche des Euro ein konjunkturpolitisches Geschenk. Die europäische Konjunktur konnte durch die exportfördernde Unterbewertung des Euro gestützt und damit auch verlängert werden. So war die Euro-Schwäche eine Konjunkturstärkung - allerdings wie alle währungspolitischen Konjunkturstützen eine von vorübergehender Wirkung. Wahrscheinlich wurde diese Euro-Schwäche gegenüber dem Dollar auch ausgelöst durch Verkäufe gehorteter D-Mark - aber auch von Schilling-Beständen in den osteuropäischen Staaten, die vorerst einmal in den Dollar gewechselt wurden, um dann aus vielerlei Gründen in den Euro umzusteigen. Wir werden noch sehen, ob sich diese Annahme bewahrheitet. Oft wird auch argumentiert, dass die Schwäche des Euro, von der manche Beurteiler meinen, dass sie eine vorübergehende sein wird, auf die relative Stagnation der Wirtschaft von Euro-Land zurückgeht. Diese Stagnation ist möglicherweise eine Folge der Ermüdung der europäischen Nationen nach Wiederaufbau und Überwindung der Trennung Europas in einen freien und einen sowjetdominierten Teil. Es scheint, dass sich der homo europeus erschöpft zurücklehnt, sich über das Erreichte freut und in Hedonismus verfällt. Dieser hedonistische Konservativismus hat sich auch politisch in der ökologisch pazifistischen Bewegung "materialisiert", übrigens in allen europäischen Staaten. Man wird sehen, ob die Vollendung der europäischen Einigung zu einer Vertiefung und Verbreitung dieses konservativen Hedonismus führen wird oder ob Europa neue Dynamik gewinnt, um dann mit den optimistischen und risikofreudigen USA gleichzuziehen. (DER STANDARD, Printausgabe 29.12.2001)