Buenos Aires - Nur eine Woche nach dem erzwungenenRegierungswechsel droht Argentinien erneut ins Chaos zu stürzen: Nachgewaltsamen Massenprotesten bot die Übergangsregierung am Samstaggeschlossen ihren Rücktritt an. Präsident Adolfo Rodriguez Saa trafdarüber laut einer Regierungserklärung vorerst keine Entscheidung. Inder Nacht zum Samstag hatten rund 7.000 Menschen in Buenos Aires denRücktritt korrupter Regierungsmitglieder und die Freigabe derBankkonten gefordert. Die zunächst friedliche Demonstrationeskalierte, als Jugendliche versuchten, den Präsidentenpalast zustürmen. In einer kurzen Fernsehansprache sagte Rodriguez Saa, er sei "sehrbesorgt über das, was passiert ist". Er habe die Banken darumgebeten, am Montag mit der Auszahlung von Renten und Gehältern bis zutausend Dollar (15.596 S) zu beginnen. Die Geldinstitutesollten dadurch einen "Beitrag zum sozialen Frieden leisten". Proteste Bei den Protesten in der Hauptstadt wurden zwölf Polizistenverletzt, sechs von ihnen schwer. Mindestens 33 Menschen wurdenfestgenommen. Rund 7000 Menschen hatten sich in der Nacht zum Samstagspontan in der Innenstadt von Buenos Aires versammelt, um gegen dieRegierung zu protestieren. Die zunächst friedlich verlaufeneDemonstration kippte um, als Jugendliche versuchten, denPräsidentenpalast an der Plaza de Mayo zu stürmen und vor dem GebäudeFeuer legten. Die Polizei setzte Tränengas und Wasserwerfer ein.Autos wurden in Brand gesteckt, Fensterscheiben gingen zu Bruch.Einer Handvoll Demonstranten gelang es, das zwei Kilometer entfernteParlamentsgebäude zu stürmen, wo sie das Mobiliar zerschlugen undVorhänge in Brand setzten. In einem Vorort von Buenos Aires erschoss ein pensionierterPolizist drei Jugendliche, die Fernsehbilder von einem verprügeltenSicherheitsbeamten hämisch kommentiert hatten. In dem bürgerlichenStadtviertel brachen daraufhin Unruhen aus. Krisensitzung Rodriguez Saa berief sein Kabinett zu einer Krisensitzung ein. DieMinister boten geschlossen ihren Rücktritt an. Kurz zuvor hattebereits der in mehrere Korruptionsaffären verwickeltePräsidentenberater Carlos Grosso sein Amt aufgegeben. Der ehemaligeBürgermeister der Haupstadt gehört zu den meistgehassten Politikerndes Landes. Die Demonstranten forderten aber auch die Demission vonRodriguez Saa und Außenminister Jose Maria Vernet, denen ebenfallsKorruption nachgesagt wird. Zugleich richteten sich die Proteste gegen dieAuszahlungsbeschränkungen der Banken. Nach Angaben von Anwälten undGerichten wollen tausende Argentinier gegen dieAuszahlungsbeschränkungen gerichtlich vorgehen. Nach einem Beschlussder Regierung des in der vergangenen Woche abgesetzten PräsidentenFernando de la Rua dürfen Privatkunden nur noch noch 1.000 Pesos(15.478 S) von ihren Konten abheben. Die Regierung will soverhindern, dass es in Erwartung eines Zusammenbruchs derStaatsfinanzen zu einer massiven Kapitalflucht kommt. Suche nach Lösung Am Sonntag wollte sich Rodriguez Saa nach eigenen Angaben mitProvinzgouverneuren seiner Peronisten-Partei treffen. NachEinschätzung von Beobachtern sollte es dabei unter anderem um eineKabinettsumbildung und Neuwahlen gehen. Die Übergangsregierung war amvergangenen Sonntag eingesetzt worden. VorgezogenePräsidentschaftswahlen sind für den 3. März des kommenden Jahresvorgesehen. Zur Überwindung der Wirtschaftskrise hat Rodriguez Saa dieBedienung der Auslandsschulden ausgesetzt und die Einführung einerDrittwährung angekündigt: Der Argentino soll ab 15. Jänner zusätzlichzu den aneinander gekoppelten bisherigen Zahlungsmitteln Peso undDollar gültig sein soll. Es wird jedoch erwartet, dass der Argentinoschnell an Wert verlieren und die Inflation antreiben wird. (APA)