"Es gibt zwei Methoden, dem Elend des Lebens zu entfliehen: Musik und Katzen." Dieses Resümee stammt von Albert Schweitzer. Er outet sich damit als Vollmitglied im Club der Felinophilen, in dem noch jede Menge anderer herausragender Persönlichkeiten versammelt sind: Mark Twain, Charlie Chaplin, Theodore Roosevelt, Charles de Gaulle oder Ray Bradbury waren Katzen verfallen und hielten mit ihrer Leidenschaft nicht hinterm Berg. Jean Cocteaus Zimmertiger trug ein Halsband mit der Inschrift: "Cocteau gehört mir!" und Ernest Hemingway ertrug keine andere Gesellschaft beim Schreiben als die seiner Katzen. Zwischen 35 und 40 leben noch immer auf seinem Anwesen in Key West, Florida, und werden von einer eigens dafür gegründeten Gesellschaft betreut. Interessanterweise weisen die Mitglieder der Hemingway-Katzenfamilie als genetische Anomalie zusätzliche Zehen auf. Diese "Polydaktilie", die sich fallweise auch bei Menschen findet, galt in vergangenen Zeiten als Zeichen des Göttlichen. Doch auch ohne sechste Zehe umweht die Katze seit jeher das Flair des Übernatürlichen. Weshalb auch kleine schwarze Katzen gerade jetzt zu Silvester - neben den obligaten vierblättrigen Kleeblättern, Hufeisen, Schweinchen oder Rauchfangkehrern - als Glücksbringer verschenkt werden. Im Geldbörsel sollen sie für genügend Bares sorgen. Zwiespältiges Image Schwarzen Katzen aus Fleisch und Blut haftet dagegen auch heute ein zwiespältiger Ruf an. Kreuzt sie von rechts nach links unseren Weg, soll sie Glück bringen, marschiert sie dagegen von links nach rechts, droht Unheil. Es gab auch Zeiten, da galt die schwarze Katze immer als Geschöpf des Bösen, ganz gleich woher sie kam. Innozenz VIII., Papst der Heiligen Römischen Kirche von 1484 bis 1492, verfügte: "Katzen sind Geschöpfe und Gestalten des Satans. Allen voran die schwarzen Katzen können nie genug leiden." Schon lange vor seiner Zeit wurden Katzen erschlagen, bei lebendigem Leib verbrannt, ersäuft oder lebendig an Tore und Scheunen genagelt - als Sendboten und Verkörperung des Teufels, als Gefährtinnen der Hexen oder auch nur zur Volksbelustigung. Der britische Verhaltensforscher Desmond Morris meint in seinem Buch "Catwatching", dass es deshalb keine gänzlich schwarzen Katzen gäbe - jede auf den ersten Blick schwarze Katze weist einige weiße Härchen auf -, weil die vollständig schwarzen von den Hexenjägern ausgerottet worden wären. Bis ins vorige Jahrhundert war auf Jahrmärkten die "Katzenorgel" im Einsatz: Mehrere Katzen wurden nebeneinander in einer Holzkiste fixiert, dass ihre Schwänze durch Löcher an der Rückwand nach außen hingen. Der "Organist" zog dann daran, die Schmerzensschreie der Katzen waren die "Musik". Im alten Ägypten wäre so ein Musikus sofort gelyncht worden. Denn im Reich der Katzengöttin Bastet stand aufs Verletzen oder gar Töten einer Katze die Todesstrafe. Auch der Export der heiligen Mäusejäger war bei Todesstrafe verboten. Und wenn in einem Haus eine Katze starb, rasierten sich die Familienmitglieder zum Zeichen der Trauer die Augenbrauen ab. Das tote Tier bereitete man aufs Leben im Jenseits durch Einbalsamierung und Bestattung mit Grabbeigaben in eigenen Friedhöfen vor. Als die Engländer im vorigen Jahrhundert auf solche "Katzennekropolen" stießen, verschifften sie die zerfallenden Mumien Zehntausender Katzen kurzerhand nach England, wo damit Felder gedüngt wurden. Glücksfarben Auch heute werden wieder Katzen auf Tierfriedhöfen beigesetzt - geliebte Schoßtiere, deren Leben in krassem Gegensatz steht zu den Heeren missachteter, halb verhungerter Katzen, die in den südlichen Ländern alle Sommer wieder die Touristen rühren. Auch bei uns gibt's massenhaftes Katzenelend, die Tierheime quellen über vor "unnötigen" Katzen. Und im ländlichen Raum ist es nach wie vor eine Seltenheit, dass die Landwirte fürs Impfen und Kastrieren ihrer Hofkatzen in die Tasche greifen. Doch hin und wieder hat so eine von Katzenschnupfen oder noch schlimmeren Gebrechen geplagte "Bauernkatze" doch Glück und wird adoptiert - und wenn sie ein Weibchen ist und dreifärbig, nennt man sie erfreut "Glückskatze". Männliche Katzen können nämlich nur zwei Farben tragen. Sind's doch drei, ist der Kater ein genetischer Zwitter und unfruchtbar - japanischen Fischern waren solch seltene männliche Glückskatzen hohe Summen wert, denn ein Schiff, dass einen dreifärbigen Kater an Bord hatte, stand im Ruf, unsinkbar zu sein. Eine Katze muss also nicht schwarz sein, um Glück zu bringen. Denn auch die roten, weißen und getigerten haben seit jeder Glück gebracht und glücklich gemacht - zumindest alle(n), die sich auf das Abenteuer eines gleichberechtigten Zusammenlebens einlassen. (DER STANDARD, Print-Ausgabe, 29./30. 12. 2001)